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Coronaausbreitungführt zu Stress im System

Gesundheitsminister Spahn sieht Höhepunkt der Infektionswelle noch nicht erreicht und mahnt zu Besonnenheit. Schutzausrüstung darf nicht mehr exportiert werden

Müssen ab sofort hier bleiben: Schutzmasken aus deutscher Produktion Foto: Markus Ulmer/imago

Aus Berlin Georg Sturm

Ab sofort dürfen keine Atemmasken, Handschuhe, Schutzanzüge und andere medizinische Schutzausrüstung aus Deutschland ausgeführt werden. Das hat der von der Bundesregierung eingesetzte Corona-Krisenstab am Dienstag beschlossen.

Darüber hinaus stellte der Krisenstab von Innen- und Gesundheitsministerium eine „außerordentliche Dringlichkeit für die Beschaffung“ dieser Materialien fest. „Gerade kaufen weltweit Regierungen, Krankenhäuser und Privatpersonen Schutzkleidung auf Vorrat“, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einer Regierungserklärung im Bundestag. Zudem stehe die Produktion in China teilweise still. Daher werde sich das Gesundheitsministerium nun zentral um die Beschaffung von Schutzmasken und -anzügen für Arztpraxen, Krankenhäuser sowie für Bundesbehörden kümmern.

Am Montag hatte das Robert-Koch-Institut die Risikogefährdung angepasst und die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung als „mäßig“ eingeschätzt. Inzwischen sind in nahezu allen Bundesländern Fälle des neuartigen Virus aufgetreten: Laut Robert-Koch-Institut waren bis Mittwoch 240 Fälle bekannt geworden. Drastische Maßnahmen, wie sie in Italien erwogen werden, werden in Deutschland zurzeit nicht diskutiert. Dort sollen die Schulen und Universitäten geschlossen werden.

Laut Spahn ist der Höhepunkt der Ausbreitung noch nicht erreicht. Phasenweise werde das Coronavirus zu „Stress im System führen“. Bereits heute dauere es teilweise zu lange, bis Verdachtsfälle getestet werden. Gleichzeitig rief Spahn zu Besonnenheit auf: „Die Folgen von Angst können weit größer sein als die durch das Virus selbst.“

„Die Folgen von Angst können weit größer sein, als die durch das Virus selbst“

Jens Spahn, Gesundheitsminister (CDU)

Nach Auffassung der Linken-Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali informiert die Bundesregierung die Bür­ger*innen zu wenig. Sie kritisierte, dass die Regierung zu wenig unternehme, um der ­medialen Panikmache etwas entgegenzusetzen. Die Linken-Politikerin machte die Privatisierungen im Gesundheitsbereich für die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Corona­virus verantwortlich. In zahlreichen Kliniken gibt es zu wenig Personal.

Spahn räumte in der Regierungserklärung mögliche weitere Einschränkungen des Alltags aufgrund der Corona­krise ein. Weitere Kitas könnten schließen, Großveranstaltungen abgesagt werden. Müssen Betriebe wegen der Pandemie schließen, sind diese zur weiteren Lohnzahlung verpflichtet, stellte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) klar. „Die Beschäftigten können ja nichts dafür, dass sie nicht in den Betrieb kommen“, sagte Heil am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“.

Die IG Metall hat die Bundesregierung aufgerufen, auf kurzfristige Maßnahmen gegen wirtschaftliche Folgen der Corona­epidemie vorbereitet zu sein. „Sollten Lieferketten reißen, dann ist das zunächst einmal ein unternehmerisches Risiko. Wir sehen aber die Notwendigkeit schnellen politischen Handelns, damit daraus keine Rezession wird“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Jörg Hofmann, der Deutschen Presse-Agentur. Zentral sei zunächst die Sicherung von Beschäftigung und Einkommen – falls nötig, auch durch Kurzarbeit. Der Zugang zu Kurzarbeitergeld müsse vereinfacht werden. Arbeitgeber müssen Kurzarbeit bei den Arbeitsagenturen beantragen, die für die Prüfung bis zu drei Monate Zeit haben. Die Arbeitsagenturen zahlen bei einer Bewilligung einen Teil des Einkommens. Das sei sinnvoll, wenn die Arbeitgeber die Differenz zum vollem Verdienst an die Beschäftigten zahlen, sagte Hofmann.

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