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: Argentiniens Frauen auf der Straße für Entkriminalisierung der Abtreibung

El aborto será ley – die Abtreibung werde Gesetz!“ Tausendfach schallte die Forderung am Mittwoch in Buenos Aires aus einem wogenden Meer von grünen Halstüchern. Vor allem junge Frauen streckten das Symbol der Abtreibungskampagne in Richtung Parlamentsgebäude. Dort soll in diesem Jahr endlich das strikte Abtreibungsverbot in Argentinien fallen.

Mit der „Manifestation der grünen Halstücher“ startete jetzt die „Kampagne für das Recht auf eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung“ ihre jährliche Mobilisierung. „Seit fünfzehn Jahren streiten wir für das Recht auf eine legale Abtreibung. Dieses Jahr wird es klappen“, zeigten sich die Veranstalterinnen optimistisch. „Legale Abtreibung 2020“ prangte in großen Lettern auf der Bühne vor dem Kongressgebäude, als das Frauenkollektiv Lastesis mit der Performance „Un Violador En Tu Camino“ (Ein Vergewaltiger auf deinem Weg) die grüne Menge in rhythmische Bewegungen versetzte.

Es war die erste große Pro-Abtreibungs-Demo in der Amtszeit des neuen Präsidenten Alberto Fernández. Er hatte im Wahlkampf die Entkriminalisierung der Abtreibung versprochen und dies bei seinem Amtsantritt im Dezember 2019 bekräftigt. „In Argentinien ist Abtreibung ein Verbrechen. Was ist die Folge? Dass jede Abtreibung klandestin vorgenommen wird und sich so das Risiko für das Leben und die Gesundheit der Frauen erhöht“, erklärte der Präsident zuletzt Anfang Februar vor Studierenden bei einem Besuch in Paris.

Gegenwärtig ist ein Schwangerschaftsabbruch in Argentinien nur in zwei Ausnahmefällen erlaubt: Wenn das Leben der Frau bedroht ist oder wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist. In beiden Fällen muss zuvor eine richterliche Bestätigung eingeholt werden. Jeder andere Abbruch kann mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden. Die Dunkelziffer der nichtlegalen Abtreibungen liegt nach Schätzungen zwischen 300.000 und 500.000 im Jahr. Nach Angaben der Kampagne sind seit 1983 über 3.000 Frauen daran gestorben.

Für den Papst wäre jedwede Lockerung des Abtreibungsverbots in seinem Heimatland eine herbe Niederlage. Argentiniens Kirchenspitze bleibt nicht untätig. Ausgerechnet für den Frauentag am 8. März hat sie alle Bischöfe zu einer Messe zum Wallfahrtsort Luján gerufen. Dort sollen die Gläubigen für den „Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod“ eintreten.

Auch dazu haben sich die Frauen von Lastesis eine Songzeile einfallen lassen: „Schlaf ruhig, minderjährige Mutter. Egal wer dich vergewaltigt hat – über dein Kind, das unschuldige Baby, wacht die Heilige Inquisition.“

Jürgen Vogt, Buenos Aires