CDU-Parteivorsitz: Es riecht nach Kampfkandidatur

Nach der Niederlage in Hamburg will die CDU ihr Führungsproblem nun ernsthaft angehen. Wie sie das tut, sagt viel über den Zustand der Partei aus

Annegret Kramp-Karrenbauer verlässt die Bühne nach einer Pressekonferenz.

Nach ihr die Sinnsuche: AKK hat fertig Foto: Odd Andersen/afp

Wer das Foyer des Berliner Konrad-Adenauer-Hauses betritt, kann die zwei Worte nicht übersehen. „Die Mitte“ steht schwarz auf grau an der Wand im Atrium. Seit Jahren finden vor diesem Bildhintergrund die Pressekonferenzen der Christlich Demokratischen Union Deutschlands statt.

Hier hat Angela Merkel Ende Oktober 2018 überraschend angekündigt, den Parteivorsitz abgeben zu wollen. Hier hat ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer vor zwei Wochen verkündet, den Posten schon wieder räumen zu wollen. Und hier hat Generalsekretär Paul Ziemiak – und vor ihm Peter Tauber – an Wahlabenden zu erklären versucht, warum die CDU wieder einmal an Wählerstimmen verloren hat.

„Die Mitte“, die die CDU anfangs so selbstbewusst für sich reklamiert hatte – sie steht heute wie versteinert. So fest schien man sich seiner Überzeugungen, seiner Geschichte, seiner Wählerschaft zu sein, dass diese 75 Jahre alte Partei offenbar irgendwann auf den Gedanken gekommen war, die Leute könnten ja zu ihr kommen, wenn sie von der Politik etwas wollen. Die CDU müsste einfach nur auf dem beharren, was sie schon immer vertreten hat. Dann klappt das.

Dieses Prinzip ist schon länger an sein Ende gelangt. Aber für jeden offensichtlich geworden – und für die Parteiführung nicht länger zu leugnen – ist es erst in den zurückliegenden zweieinhalb Wochen. Seit die Thüringer Landtagsfraktion gemeinsam mit der AfD den FDPler Thomas Kemmerich ins Amt des Ministerpräsidenten gewählt hat, weiß jeder: Die Verbindung des Konrad-Adenauer-Hauses in die Länder ist mindestens schwer gestört; und die Vorsitzende hat keine Autorität mehr.

1 Niederlage und 1 Termin

An diesem Montag in Berlin gibt es nicht nur ein weiteres schlechtes Ergebnis zu vermelden – die Hamburger CDU ist bei der Bürgerschaftswahl von 16 auf 11 Prozent abgestürzt. Marcus Weinberg, der gerupfte Hamburger Spitzenkandidat, tut gar nicht erst so, als gebe es einen anderen Platz als die Oppositionsbank im Hamburger Senat.

Es gibt auch einen frisch festgezurrten Termin. Am 25. April will die CDU Deutschlands ihren neuen Vorsitzenden – eher keine Frau – auf einem Parteitag in Berlin wählen. Die Noch-Vorsitzende teilt dies der Öffentlichkeit mit. Wie einst Merkel steht sie vor der lichtgrauen Wand und erläutert den geplanten Ablauf.

Noch in dieser Woche sollen die bereits jetzt in Rede stehenden Anwärter auf den Vorsitz öffentlich erklären, ob sie tatsächlich kandidieren wollen. Kramp-Karrenbauer betont, dies sei mit ihr abgestimmt.

Aber diesmal wird es keine KandidatInnen-Tournee geben wie bei ihr und Friedrich Merz im Herbst und Winter 2018. Ende April der Parteitag in Berlin – mit Antragsrecht für die Delegierten, nebenbei bemerkt. Und schon wird gewählt und die CDU hat einen neuen Chef. Das Ganze binnen zwei Monaten.

Jetzt ist es auch schon egal

Dass es jetzt so schnell gehe, sei von Anfang an ihre Idee gewesen, erklärt die Noch-Amtsinhaberin. „Ich habe das dem Präsidium vor zwei Wochen so vorgeschlagen“, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer.

Aber ihr Angebot sei abgelehnt worden, man habe sie gebeten, erst mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dem Rechtsanwalt Friedrich Merz und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet zu reden und auf sie einzuwirken, dass es eine gütliche Einigung gibt. Inzwischen sei auch Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, nach vorn gegangen.

„Ich habe mit den vieren geredet“, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer, „das ist die Aufgabe einer Parteivorsitzenden.“ Ein normales Verfahren, gedeckt von den Führungsgremien. Und ja, natürlich, der Vorsitz sei ein Präjudiz für die Kanzlerkandidatur. Dies zu trennen, sei schon in ihrem Fall ein Fehler gewesen. Schöne Grüße rüber ans Kanzleramt; jetzt ist es eh schon egal.

Sie wirkt konzentriert, keineswegs gehetzt, obwohl es in der Vorstands- und der Präsidiumssitzung, sagen wir, bewegt zugegangen sein soll. Gleichwohl ist offensichtlich, dass die Spitze der CDU es nicht fertigbringt, eine gütliche Lösung zwischen den Kandidaten herbeizuführen. Es riecht verdammt nach Kampfkandidatur. Und das ist für diese Partei alles andere als ein Normalismus.

Einer für alle. Aber alle für einen?

Den Bewerbern – zu denen dem Vernehmen nach noch ein oder zwei weitere stoßen sollen – hat sie deshalb vorsorglich ein Versprechen abgenommen. „Alle vier haben erklärt, dass sie jedwedes Ergebnis des Parteitages respektieren werden und sich sichtbar und erkennbar in die weitere Arbeit der CDU einbringen.“

Das geht klar raus an Friedrich Merz. Der einstige BlackRock-Lobbyist hatte beim Hamburger Parteitag 2018 denkbar knapp gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verloren.

Hernach gefiel er sich in der Rolle des Rauners. Sehr gern besuchte Merz CDU-Kreisverbände, um dort zu referieren, was alles schieflaufe in der von seiner Partei regierten Republik. Das bekam der CDU gar nicht gut – schon wegen Merz’ frei flottierender Medienpräsenz. Diesmal wollen – sollen? – alle zusammenarbeiten. Für die Partei.

Als sei im eigenen Laden noch nicht ausreichend Trouble, strafft sich Annegret Kramp-Karrenbauer nun noch einmal und fährt eine brachiale Breitseite gegen den Koalitionspartner. Namentlich dem Generalsekretär der SPD, Lars Klingbeil, wirft sie eine „Diffamierungs- und Schmutzkampagne“ vor. Die CDU-Bundesspitze habe ganz klare Beschlüsse über die Abgrenzung zur AfD, an denen es gar nichts zu deuteln gebe, sagt Kramp-Karrenbauer.

AKK droht mit Parteiauschluss

Und an ihre eigene Mitgliedschaft gerichtet, sagt sie, jegliche Form der Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten sei mit den Kerngedanken der Christdemokraten nicht vereinbar. Wer aber nach dem Anschlag von Hanau meine, an dieser Mauer „herumwerkeln“ zu müssen, oder versuche, sie zu beseitigen, „stellt sich aus meiner Sicht außerhalb dieser Partei“.

Im Klartext: Sie droht Mandatsträgern – etwa im Thüringen, wo nächste Woche erneut ein Ministerpräsident gewählt werden soll – mit Parteiausschluss. So gesehen scheint SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nicht ganz unrecht zu haben mit seiner Kritik an der CDU, sie grenze sich nicht eindeutig genug nach rechts ab.

Am Montag weist er Kramp-Karrenbauers Vorhalt prompt zurück. „Das ist ein Tabubruch, der begangen wurde im Thüringer Landtag, von dem sich die CDU, so glaube ich, über lange Zeit nicht erholen wird.“

Tatsächlich ist es ja so, dass die Christlich Demokratische Union, diese alte Partei, ein für jeden offensichtliches Führungsproblem hat, das nicht erst mit dem Erfurter Sündenfall oder dem Rückzug von AKK angefangen hat. Die Partei hat sich zu lange auf sich selbst verlassen. Auf ihre Breite, ihre Anschlussfähigkeit, ihr Wohlstandsversprechen.

Die Mitte ist ein kleiner Ort geworden

Im Osten funktioniert das immer weniger. Dies und die Folgen daraus stoisch ausgeblendet und lieber nicht so genau hingeschaut zu haben, rächt sich heute. Aus der bärenstarken CDU ist ein zerstrittener Haufen geworden. Aus der „Mitte“ ein Ort für immer weniger im Land.

Es ist nicht Annegret Kramp-Karrenbauers Schuld. Aber es ist jetzt ihre Verantwortung. Sie ist klug genug, diese Verantwortung noch ein Stück weit zu tragen. Ob der Parteitag klug genug ist, den geeigneten Nachfolger zu wählen, ist alles andere als ausgemacht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.