: Die Dürre unter der Stadt
So viel Regen war gefühlt lange nicht mehr. Hat sich das Berliner Grundwasser wieder aufgefüllt?
Von Claudius Prößer
Kennen Sie noch Schnee? Dieser fluffige weiße Stoff ward in diesem Berliner Winter noch kein einziges Mal gesehen. Stattdessen: Regen satt. Normal ist das alles irgendwie nicht, aber immerhin müsste sich dadurch unser Grundwasser nach den vergangenen Dürrejahren doch wieder erholt haben. Oder? Nachfragen der taz haben ergeben: Die Zeichen stehen auf Entspannung, für eine echte Entwarnung ist es jedoch zu früh.
Stark gelitten hatten in den trocken-heißen Sommern der Jahre 2018 und 2019 die Berliner Wälder. „Der Regen der vergangenen Tage tut dem Wald gut“, sagt deshalb Marc Franusch, Sprecher der Berliner Forsten. Allerdings seien der Dezember mit knapp 60 Prozent des langjährigen Monatsmittels und der Januar mit rund 70 Prozent immer noch zu trocken gewesen. Wie das im Frühjahr weitergehe, müsse man abwarten, so Franusch. „Davon wird auch die Vitalitätsentwicklung der Waldbäume maßgeblich abhängen.“
Wie der Meteorologe Norbert Becker-Flügel von der Wettermanufaktur GmbH kürzlich im taz-Interview gesagt hatte, war die Niederschlagsbilanz des Jahres 2019 mit „90 bis 99 Prozent“ des langjährigen Mittels am Ende fast ausgeglichen. Dagegen war 2018 in der Summe viel zu wenig Regen gefallen – Experten hatten von „Niederschlagsmengen wie in einer Savanne“ gesprochen.
Ohnehin wirkt sich die Niederschlagssumme nicht 1:1 auf den Grundwasserspiegel aus – es kommt konkret darauf an, wie viel wo genau und über welchen Zeitraum verteilt fällt. Tagelanger Landregen kann etwa im Waldboden gut versickern. Dagegen rauschen die gewaltigen Wassermengen eines Wolkenbruchs zügig in den Fluss oder die Kanalisation, gerade dann, wenn das Unwetter sich über stark versiegelten Stadtflächen entlädt.
30 Zentimeter zu tief
Wie es derzeit bestellt ist um das Nass im Berliner Untergrund, weiß Astrid Hackenesch-Rump, Sprecherin der Berliner Wasserbetriebe: „Noch ist das Grundwasser nicht wieder aufgefüllt. Wie messen weiterhin niedrigere Stände als sonst im Winter üblich.“ Um 10 bis 30 Zentimeter zu tief lägen sie, so Hackenesch-Rump – das sei ein für die Sommermonate übliches Niveau. Im Winter fülle sich das Grundwasser normalerweise wieder komplett auf. Allerdings hätten die Stände nach dem Sommer 2018 sogar um bis zu 50 Zentimeter zu tief gelegen.
Allzu große Sorgen bereite das den Wasserbetrieben noch nicht, so die Sprecherin: „Wir beobachten das aufmerksam. Allerdings gewinnen wir 60 Prozent des Berliner Trinkwassers ohnehin aus Uferfiltrat.“ Dabei handelt es sich um Grundwasser, das durch Versickerung aus Spree und Havel sowie deren Seen teils auf natürlichem Weg entsteht, teils durch die Pumpleistung angesaugt wird. Selbst wenn die Oberflächengewässer einmal weniger Wasser führen – so schnell versiegt diese Quelle nicht.
Trotzdem verhandeln die Wasserbetriebe seit Längerem mit der Senatsumweltverwaltung über die Anlage neuer Grundwasserbrunnen und die Reaktivierung aufgegebener Standorte, etwa des ehemaligen Wasserwerks Jungfernheide. Die geplanten Maßnahmen dienten zum Teil der „Trockenheitsvorsorge“, sagt Hackenesch-Rump, sie seien aber auch dem steten Bevölkerungswachstum geschuldet. Mehr Menschen brauchen eben mehr Trinkwasser.
Sulfat aus der Leitung
Immer noch glimpflich verläuft derweil die Entwicklung der Sulfatbelastung im Berliner Leitungswasser. Wie eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Georg Kössler und Stefan Taschner gerade ergab, wird der von der Trinkwasserverordnung vorgegebene Grenzwert von 250 Milligramm pro Liter vorerst noch in keinem Wasserwerk überschritten.
Laut Umweltstaatssektretär Stefan Tidow überschritt zwar die Spree an der Messstelle Rahnsdorf-Müggelspree den Grenzwert bei sechs der monatlichen Messungen im Jahr 2019 – am deutlichsten mit 271 Milligramm/Liter am vergangenen 3. Dezember. Allerdings bildeten sich 30 bis 40 Prozent des im benachbarten Wasserwerk Friedrichshagen geförderten Grundwassers aus Niederschlägen. Dadurch bleibe die Sulfatbelastung insgesamt noch im Normbereich.
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