: Leerlauf beim Leerstand
Mietervereine und linke Opposition kritisieren, dass die Behörden den Wohnungsleerstand kaum verfolgen. Offiziell geht es um rund 1.700 Wohnungen. Doch mehr Personal für den Wohnraumschutz ist nicht in Sicht
Von Friederike Gräff
Über 100 leer stehende Wohnungen haben LeserInnen auf einen Aufruf des Straßenmagazins Hinz&Kunzt hin gemeldet, so steht es in der Februar-Ausgabe. Dass so schnell so viele Rückmeldungen kamen, sieht Redakteur Jonas Füllner als Anzeichen dafür, dass Leerstand nach wie vor ein erhebliches Problem in der Stadt ist. Das bestätigt auch Marc Meyer vom Mieterverein „Mieter helfen Mietern“. Das sei „tragisch“ angesichts von 12.000 Menschen, die mit Dringlichkeitsschein eine Wohnung suchen.
Tatsächlich verbietet das Wohnraumschutzgesetz einen Leerstand, der über vier Monate hinausgeht, als Zweckentfremdung. Ab dann muss der Leerstand von der Behörde genehmigt werden, ein möglicher Grund für den Leerstand ist eine geplante Sanierung. Ist der Leerstand unberechtigt, kann die Behörde Bußgelder verhängen oder den Eigentümer sogar zeitweise enteignen.
Das ist die Theorie – die Praxis ist deutlich komplizierter. Das beginnt bereits bei den Zahlen: Laut Antwort des Hamburger Senats auf eine Anfrage der CDU standen Mitte 2019 rund 1.740 Wohnungen länger als vier Monate leer. Laut dem Statistikdienst Statista, der mit Zahlen des Immobiliendienstleisters CBRE arbeitet, ist die Zahl seit 2010 gesunken. Heike Sudmann von der Linken wie auch Marc Meyer von „Mieter helfen Mietern“ schätzen die Zahl jedoch deutlich höher. Beide machen dafür eine zu geringe Personalausstattung in den Bezirksämtern verantwortlich. Dort gibt es Abschnitte, die für Wohnraumschutz zuständig sind – doch laut Sudmann sind sie „grotttenschlecht“ ausgestattet. Ihre Fraktion hat immer wieder eine „Taskforce“ gegen Wohnungsleerstand und -zweckentfremdung beantragt, bislang jedoch erfolglos.
Marc Meyer von „Mieter helfen Mietern“ vermutet, dass die Behörden auch deshalb nicht rigoroser gegen illegalen Leerstand vorgehen, weil dazu oft aufwendige Verfahren gehören, weil die Eigentümer Widerspruch gegen die Maßnahmen einlegen. Auch ließen sich manche Ämter durch die Versprechungen der EigentümerInnen, neuen Wohnraum zu schaffen, hinhalten – um nach einigen Jahren festzustellen, dass die Zusagen nicht eingehalten wurden.
Hinzu kommt, dass sich die Fälle, so Meyer, „nicht über einen Kamm scheren lassen“. EigentümerInnen können Wohnungen leer stehen lassen, weil sie hoffen, dadurch die anderen MieterInnen zu vergrämen und dann in einem komplett leeren Haus das Dachgeschoss ausbauen zu können. Motiv kann aber auch sein, ein Haus komplett zu entmieten, abzureißen und dann mit mehr Mietfläche neu errichten zu wollen. Und manchmal kann Leerstand auch legal sein, etwa weil sich der angemeldete Baubeginn aus baurechtlichen Gründen verzögert.
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