: AWO-Geschäftsführer muss gehen
Der Skandal um überhöhte Abrechnungen kostet den Kopf eines prominenten Sozialdemokraten: Die Arbeiterwohlfahrt trennt sich von Ansgar Dittmar
Von Christoph Schmidt-Lunau, Frankfurt am Main
Paukenschlag im Skandal der Arbeiterwohlfahrt in Hessen. Nach taz-Informationen liegt ein Aufhebungsvertrag des AWO-Bezirksvorstands Hessen-Süd mit seinem Geschäftsführer Ansgar Dittmar vor. Der Hessische Rundfunk hatte zuvor berichtet, der Vorstand habe sich von ihm getrennt. Mit Dittmar verliert erstmals in dieser Affäre ein prominenter Sozialdemokrat seinen Posten bei der AWO. Bundesweit bekannt wurde Dittmar als langjähriger Vorsitzender der Schwusos, der Arbeitsgemeinschaft von Schulen und Lesben in der SPD. Er gehört auch dem Bezirksvorstand der Partei an. Als Geschäftsführer war er zuletzt Chef von mehr als 3.000 MitarbeiterInnen.
Zum Verhängnis wurde Dittmar offenbar seine Rolle als ehrenamtlicher Vorstand des Frankfurter AWO-Kreisverbands. Seit Monaten sorgen die skandalösen Zustände in den Kreisorganisationen in Wiesbaden und Frankfurt für Negativschlagzeilen: Drastisch überhöhte Gehälter für die hauptamtlichen Vorstände, familiäre und dienstliche Verflechtungen zwischen den Verantwortlichen, Dienstwagen der Luxusklasse, Honorarzahlungen und Rechnungen ohne Gegenleistung. Gegen sechs ehemalige und amtierende AWO-Funktionäre ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Fast täglich gelangen neue Details an die Öffentlichkeit. Zuletzt machte eine Rechnung für die Vermittlung einer Immobilie Schlagzeilen, die offenbar ohne Gegenleistung gestellt und bezahlt wurde.
„Bitter für die Soziallandschaft in Hessen und für die Beschäftigten“, nannte am Donnerstag der zuständige grüne Landesminister Kai Klose im Landtag die Vorgänge. Immerhin arbeiten mehr als 1.000 MitarbeiterInnen allein in Frankfurt in AWO-Kitas oder -Alteneinrichtungen.
Noch ärger als sie trifft es die vielen freiwilligen HelferInnen. „Da bricht eine Welt zusammen“, sagte der Vorsitzende des AWO-Ortsvereins Nied, Klemens Mielke, der taz. Für viele, die sich 30 oder 40 Jahre lang ehrenamtlich engagiert hätten, sei das ein „Biografiebruch“, so Mielke. Ein Jahr vor den nächsten hessischen Kommunalwahlen trifft der Skandal vor allem die SPD. Die AWO, gegründet als eine Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten, ist bis heute eng mit der Partei verbunden. Auch ihr Hoffnungsträger, Frankfurts SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann, und seine Ehefrau Zübeyde mussten sich kritischen Fragen stellen. Beide hatten zeitweise auf der Lohnliste der AWO gestanden, angeblich ebenfalls mit überhöhten Gehältern und Dienstwagen. Nach kritischen Worten, auch aus der eigenen Partei, entschuldigte sich Feldmann im Dezember für sein langes Schweigen zu den Vorwürfen. Er und seine Ehefrau würden zu Unrecht erhaltene Beträge zurückzahlen, sollten das die Überprüfungen ergeben.
Klemens Mielke, AWO-Ortsverein Frankfurt-Nied
Von den anderen Beschuldigten gibt es solche Einsicht indes nicht. Noch arbeiten mindestens zwei von ihnen in der Kreisgeschäftsstelle. Bislang war lediglich der langjährige AWO-Kreisgeschäftsführer Jürgen Richter gekündigt worden. Er, seine Ehefrau und ihr gemeinsamer Sohn standen auf der AWO-Payroll, zum Teil in beiden Kreisverbänden. Dass noch immer Beschuldigte im Amt sind, nennt Mielke von der AWO-Basis „eine Katastrophe“. Da fast alle ehrenamtlichen Vorstands- und Präsidiumsmitglieder zu Beginn der Krise zurückgetreten sind, ist die Organisation nur bedingt handlungsfähig. Mielke setzt auf die geplante Neuwahl des Präsidiums am 15. Februar.
Es bedurfte im vergangenen Jahr der massiven Intervention durch den Bundesverband und dessen Vorstand, dass auch intern eine lückenlose Aufklärung eingeleitet wurde. Die ehemalige SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin wurde als Chefin einer Taskforce eingesetzt. Die frühere Bundesjustizministerin und Rechtsanwältin hat angekündigt, „den AWO-Mitgliedern und Beschäftigten, aber auch den Partnern und der Öffentlichkeit sobald wie möglich einen ausführlichen Bericht und, soweit erforderlich, auch klare Empfehlungen vorlegen.“ Die Oberfinanzdirektion überprüft inzwischen sogar die Gemeinnützigkeit der Organisation. Nicht nur die Stadt Frankfurt will zu Unrecht angewiesene Gelder zurückverlangen.
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