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Frauen weiter abgehängt

Die Region Hannover hat ihren Gleichstellungsbericht veröffentlicht. Der nimmt sich auch Verwaltungsbereiche vor, die nicht auf den ersten Blick gleichstellungsrelevant sind

Von Nele Spandick

Männer fahren doppelt so viel Auto wie Frauen. Und dabei nutzen Frauen einen Weg oft noch für mehrere Zwecke. Fahren sie von der Arbeit nach Hause, bringen sie auch noch Kinder in die Betreuung oder gehen einkaufen. Es klingt wie ein nerviges Klischee. Doch die Studie „Mobilität in Deutschland“ zeigt, es ist wahr: Männer fahren durchschnittlich 29 Kilometer mit dem Auto am Tag, Frauen nur 14. Sie bewegen sich auch häufiger mit Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß fort.

Die Region Hannover möchte solche Unterschiede ernst nehmen. In dem Gleichstellungsbericht untersucht sie daher die Auswirkungen all ihrer Tätigkeitsbereiche auf die Gleichstellung. Dabei bewegt sie sich in einem Spannungsfeld: Zum einen möchte man bestehende Rollenbilder nicht verstärken, zum anderen die Diskriminierung auflösen, die diese Bilder verursachen. „Das muss man aushalten“, sagt Gleichstellungsbeauftragte Petra Mundt dazu. „Wir versuchen deutlich zu machen, dass wir nicht den biologischen Mann oder die biologische Frau meinen, sondern das soziale Geschlecht.“

Für Mobilität heißt das unter anderem, dass Versorgungswege vereinfacht werden sollen. Weil vor allem Frauen Kinder in die Schule oder Senior:innen zu Ärzt:innen bringen und dafür häufig den öffentlichen Nahverkehr nutzen, sollen Busse und Bahnen am Vormittag häufiger fahren. Außerdem sind größere Flächen für Rollstühle oder Kinderwägen im Nahverkehr geplant. Vor allem die Angst hindert Frauen daran, den öffentlichen Nahverkehr während der Abend- und Nachtstunden zu nutzen. Fünf Kommunen der Region Hannover haben deshalb Frauennachttaxis eingeführt. Außerdem erhöhte die Region die Taktung und stellte Sicherheitspersonal ein, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen.

Doch Mobilität ist nur ein Aspekt, den der Gleichstellungsbericht berücksichtigt. Insgesamt werden 201 gleichstellungsorientierte Maßnahmen aufgezeigt, die zwischen 2016 und 2018 in der Region Hannover umgesetzt wurden. „Die Vielzahl der abgebildeten Maßnahmen zeigt, dass Gleichstellung bei uns eine Querschnittsaufgabe aller Fachbereiche und durchgängiges Leitprinzip ist“, sagt der Regionspräsident Hauke Jagau dazu. Die Beschäftigten der Region würden selbstverständlich die zum Teil unterschiedlichen Lebenslagen von Frauen und Männern berücksichtigen.

Ein Unterschied besteht zum Beispiel in der Integration. Damit die auch für Frauen gelingt, wurden in der Region spezielle Sprachkurse für sie angeboten, oftmals kombiniert mit zeitgleicher Kinderbetreuung.

„Der Bericht bestätigt auch, dass wir von einer tatsächlich gleichberechtigten Gesellschaft noch weit entfernt sind“

Petra Mundt, Gleichstellungsbeauftragte der Region Hannover

Auch die Erziehung im Kindergarten spielt eine Rolle: Erzieher:innen werden darin fortgebildet, Kinder vorurteilsfrei zu erziehen. Außerdem werden die hauptsächlich weiblichen Erzieher:innen darin unterstützt, Kindern Naturwissenschaften nahezubringen. Sie haben oft selbst wenig Bezug zu Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik.

Ein weiterer Aspekt im Gleichstellungsbericht ist der Wohnungsmarkt: Die Wohnungsknappheit betrifft vor allem Frauen, weil sie einen Großteil der besonders betroffenen Gruppen ausmachen: Alleinerziehende, Geringverdienende und alleinstehende ältere Menschen. Eine Maßnahme zur Gleichstellung ist also, Wohnraum zu schaffen. Zudem steigt die Zahl der Frauen, die wohnungslos sind. Sie sind weniger präsent, weil sie häufiger als Männer Übernachtungsmöglichkeiten bei Bekannten wahrnehmen. So begeben sie sich teilweise aber in Abhängigkeiten. Gegen dieses Problem sollen Beratungs- und Hilfsangebote explizit auf Frauen zugeschnitten werden.

Neben all der Maßnahmen gibt Mundt aber auch Impulse, was sich noch ändern könnte. „Der Bericht bestätigt auch, dass wir von einer tatsächlich gleichberechtigten Gesellschaft noch weit entfernt sind“, kommentiert sie. Sie setzt sich zum Beispiel dafür ein, dass die Region mit einem Genderstern kommuniziert, um auch Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann definieren, einzubeziehen. Bisher schreibt die Regionsverwaltung in den meisten Fällen in der sogenannten Paarform, nennt also weibliche und männliche Titel. Andere Impulse von Mundt: das Vatergruppen-Angebot vergrößern oder die Genderkompetenz von Lehrkräften fördern.

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