Entwurf für Intensivpflegegesetz: Spahn rudert vorsichtig zurück

Der Gesundheitsminister entschärft das Intensivpflegegesetz: Stationäre Versorgung soll nicht mehr Vorrang haben. Jeder Fall wird geprüft.

Frau im Rollstuhl

Beatmungspatientin Lena Krengel wird zuhause versorgt Foto: dpa

BERLIN taz | Bundesminister Jens Spahn (CDU) rudert zurück, aber nur ein bisschen. Der Vorrang der stationären Pflege für Beatmungspatienten soll aus dem Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Intensivpflege wieder gestrichen werden, bestätigte am Freitag das Gesundheitsministerium. Damit können BeatmungspatientInnen wie bisher auch mit Hilfe von ambulanten Pflegekräften rund um die Uhr zuhause betreut werden.

„Die besonders aufwändige Intensivpflege in der eigenen Häuslichkeit bleibt weiterhin möglich“, heißt es in einer Erklärung Jens Spahns. Darüber werde allerdings „im Einzelfall“ entschieden.

Zuvor hatte der bisherige Referentenentwurf tausende von schwerkranken Beatmungspatienten, die mit Hilfe von ambulanten Pflegekräften in den eigenen vier Wänden betreut werden, in Angst und Schrecken versetzt. Denn in diesem Entwurf stand der Satz: „Die Leistungen der außerklinischen Intensivpflege werden künftig regelhaft in vollstationären Pflegeeinrichtungen…erbracht“.

25 000 Euro im Monat

Der Satz weckte die Befürchtung, dass Krankenkassen künftig die ambulante rund-um-die-Uhr-Betreuung von BeatmungspatientInnen im eigenen Heim in vielen Fällen nicht mehr finanzieren könnten. Diese 24-Stunden-Betreuung, die vier oder mehr ausgebildete Intensivpflegekräfte leisten müssen, kann die Krankenkassen 25.000 Euro im Monat kosten.

Die neuen Äußerungen Spahns geben aber nun nicht hundertprozentige Entwarnung. Denn Spahn sprach von Intensivpflege-Patienten, „die am sozialen Leben teilhaben“ und „auch künftig zu Hause“ betreut werden „können“. In der Vergangenheit weckte Spahn mit ähnlichen Äußerungen Ängste bei den Angehörigen von Schwerkranken im Wachkoma, dass den Betreuten die häusliche Versorgung versagt wird, wenn diese nicht oder kaum noch kommunizieren können, man also keine „Teilhabe am sozialen Leben“ mehr feststellen kann.

In den Einzelfallprüfungen soll aber auch der „Sozialraum“ der Kranken berücksichtigt werden, betont der neue Gesetzentwurf. Wer also andere Menschen zusätzlich zur ambulanten Pflege um sich hat, wird nicht ins Heim geschickt. Für alle Patienten, die bereits heute intensivpflegerisch zuhause versorgt werden, soll zudem ein unbefristeter „Bestandsschutz“ gelten.

Zuwenig Entwöhnung

Der Streit um die häusliche Pflege entbrannte auch deswegen, weil die ambulante Rund-um-die-Uhr-Betreuung in häuslicher Umgebung eine teure Eins-zu-Eins-Betreuung ist und damit Bedürfnisse der Schwerkranken nach Kommunikation und Zuwendung besser berücksichtigt werden können als in einer Pflegeeinrichtung, in der der Betreuungsschlüssel für Intensivpatienten bei eins-zu-drei liegen kann. Die Pflegeeinrichtung kostet die Kassen entsprechend weniger.

Kritiker monierten, dass in sogenannten Pflege-Wohngemeinschaften, die ambulante Leistungen abrechnen, die PatientInnen mitunter gar nicht mehr von der künstlichen Beatmung entwöhnt wurden, obwohl dies medizinisch möglich wäre. Mit beatmeten Patienten verdienen Pflegedienste mehr Geld.

Mit dem neuen Gesetzentwurf, der regierungsintern zur Abstimmung weitergegeben wurde, soll die Entwöhnung der Patienten von der künstlichen Beatmung extra vergütet werden. Damit hofft Spahn, mehr Kranke zu entwöhnen und vom Status der Intensivpflege-Patienten weg zu bringen.

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