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Von der Leyens gewagte Mondreise

Die Präsidentin der EU-Kommission setzt beim Kampf gegen den Klimawandel auf Wachstum und Förderung der Wirtschaft. Mit ihrem „Grünen Deal“ soll die EU Vorreiter in der Klimapolitik werden. Kritikern reichen die Pläne jedoch nicht aus

Aus Brüssel Eric Bonse

Die Europäische Union will eine globale Führungsrolle im Kampf gegen die Klimakrise übernehmen – mit einer „Wachstumsstrategie“, die auch die Wirtschaft ankurbeln soll. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel an. Es war die erste große Entscheidung seit ihrem Amtsantritt am 1. Dezember.

„Der Europäische Grüne Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie“, sagte die CDU-Politikerin, die von den Staats- und Regierungschefs eingesetzt worden war. Investitionen in Milliardenhöhe sollten dazu führen, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird und zugleich zum Spitzenreiter bei grüner Technologie und Industrie aufsteigt.

Dies sei Europas „Mann-auf-dem-Mond-Moment“, rief von der Leyen aus – womit sie ein Stichwort der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament aufgriff. Mit „Mann auf dem Mond“ ist allerdings nicht das Mondmännchen, sondern der Mondflug gemeint, der einst die Fantasie anregte – und der US-Industrie zu einer Führungsrolle verhalf.

Bisher ist allerdings nicht einmal klar, ob sich alle 28 EU-Staaten an der Reise beteiligen. Polen und andere osteuropäische Staaten haben das Ziel der Klimaneutralität beim EU-Gipfel im Juni in eine unverbindliche Fußnote verbannt. Ob der Widerstand beim nächsten Gipfeltreffen am Donnerstag gebrochen werden kann, ist offen.

„Wir haben nicht alle dieselben Ausgangsbedingungen“, räumte der neue EU-Gipfelchef, Charles Michel – ein liberaler Belgier –, unter Anspielung auf das Kohleland Polen ein. Michel versprach, auch „die sozialen Konsequenzen in Rechnung zu stellen“ und die Verlierer der klimapolitischen Wende großzügig zu entschädigen.

Eine zentrale Rolle soll dabei der „Just Transition Fund“ spielen. „Wir haben das Ziel, 100 Milliarden Euro an Investitionen für die am stärksten gefährdeten Sektoren und Regionen zu mobilisieren“, sagte von der Leyen. In den ersten Plänen war nur von 35 Milliarden Euro die Rede.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich Polen damit zufrieden gibt – und wie der neue Fonds finanziert werden soll. Im aktuellen Entwurf der EU-Finanzplanung für die Jahre 2021 bis 2027 sollen die Mittel für den sozialen Zusammenhalt zusammengestrichen werden. Deutschland und andere Nettozahler fordern sogar noch weitere Kürzungen.

Beim EU-Gipfel droht deshalb Streit, Pessimisten rechnen mit einer langen Nachtsitzung. Von der Leyen appellierte an die EU-Chefs, „den Ruf zu hören, der von den Völkern Europas kommt“. Das alte, auf fossilen Brennstoffen beruhende Wachstumsmodell habe sich überlebt. Nun gehe es um ein neues Modell, „das mehr gibt, als es nimmt“. Details blieb sie schuldig, sie sollen erst im neuen Jahr nachgereicht werden. Der „Green Deal“ sei eine Generationenaufgabe, hieß es.

Die ersten Reaktionen fielen gemischt aus. Der „Green Deal“ brauche ein „solides wirtschaftliches Fundament“, erklärte der Unternehmensverband Business Europe. Über das Ziel sei man sich einig, über Mittel und Wege müsse man aber noch sprechen. Die EU solle eine „starke Industriestrategie“ vorlegen, fordert die Wirtschafts-Lobby. Es klingt wie der Ruf nach neuen Subventionen.

Auf breite Zustimmung stößt der Klima-Plan dagegen im Europaparlament. Konservative, Sozialdemokraten und Liberale signalisieren Zustimmung, nur Linke und Grüne äußerten sich skeptisch. Jetzt komme es auf die Umsetzung an, kommentierte die Co-Chefin der Grünen-Fraktion, Ska Keller. „Das Klima lässt sich nicht mit Überschriften retten“, warnte sie. Europa dürfe nicht erst im Jahr 2050 klimaneutral werden, sondern müsse dieses Ziel schon für 2040 anstreben. Bisher plant die EU, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Die EU-Kommission schlägt nun 50 bis 55 Prozent vor, die Grünen fordern sogar 65 Prozent.