heute in bremen
: „Keinen Anreiz zur Abholzung schaffen“

Foto: Waldemar Salesski

Joachim Schuster, 57, SPD, ist seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments und im Ausschuss für Internationalen Handel.

Interview David Siegmund-Schultze

taz: Herr Schuster, erwarten Sie, dass das Mercosur-Abkommen einen ähnlichen öffentlichen Protest wie bei TTIP oder CETA auslösen wird?

Joachim Schuster: Das vermag ich nicht zu sagen. Es wäre aber sinnvoll, es stärker öffentlich zu diskutieren. Denn es ist ein problematisches Abkommen, das unter Umständen erhebliche ökologische Auswirkungen haben wird.

Können Sie das präzisieren?

Seitdem Bolsonaro in Brasilien an der Macht ist, hat die Rodung des Urwaldes im Amazonasgebiet stark zugenommen – zugunsten des Sojaanbaus und der Rinderzucht. Wir können nicht zulassen, dass das Freihandelsabkommen mit der EU einen zusätzlichen Anreiz zur Abholzung schafft. Zudem ist auch die Situation der Menschen- und Gewerkschaftsrechte in dem Land hochproblematisch.

Die Befürworter*innen des Abkommens entgegnen, dass sich Brasilien darin verpflichte, die Rodungen zu stoppen. Wie realistisch ist das?

Zurzeit ist das für mich ein Widerspruch. Das Ziel ist ja gerade die Agrarexporte in die EU zu erhöhen und dafür braucht es Flächen. Deswegen ist meine Position: Bevor keine Taten folgen, also die Rodungen gestoppt und Aufforstungen betrieben werden, sollten wir nichts beschließen. Die Ratifizierung steht erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres an. Wenn in der Zwischenzeit erkennbare Schritte in die richtige Richtung erfolgen, können wir diskutieren.

Von der Bundesregierung hieß es bisher, das Abkommen solle auch in der jetzigen Form durchgehen, oder?

Auch die Bundesregierung setzt sich dafür ein, das Abkommen noch nachzuschärfen und wichtige Rechte darin zu verankern, ich sehe da keinen großen Widerspruch zu meiner Position. Es ist wichtig zu sehen, dass nicht nur Brasilien, sondern auch weniger problematische Länder beteiligt sind.

Wenn Sie sich ein Handelsabkommen mit südamerikanischen Staaten backen könnten, wie würde das aussehen?

Ich stehe dem Freihandel nicht grundsätzlich verschlossen gegenüber. In diesem Abkommen müssten aber eine Reihe von Rechten verbindlich verankert werden: In erster Linie für Arbeitnehmer*innen und die Umwelt. Der Nichteinhaltung müssten außerdem Sanktionen folgen. Mein ideales Abkommen würde auch enthalten, dass der Handel mit Agrarprodukten über diese Entfernungen reduziert wird. Unter Klimagesichtspunkten ist es schlicht Unsinn, Rindfleisch hin und her zu transportieren.

Gespräch mit Joachim Schuster, Helga Trüpel und Josef Falke über das Freihandelsabkommen zwischen Mercosur und der EU: 20 Uhr, Villa Ichon