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Rechtlos in Bangkok

Pakistanische Christen, die als Flüchtlinge in Thailand leben, können den Papst bei seinem Besuch nur aus der Ferne sehen. Zu groß ist die Gefahr, verhaftet zu werden

Aus Bangkok Michael Lenz

Die katholische Gemeinde St. Marien in einem Viertel von Bangkok mit vielen kleinen traditionellen Häusern liegt am Ufer des Flusses Chao Phraya. Über den Fluss spannt sich die mächtige Bhumibol-Doppelbrücke mit ihren goldenen Pylonen. In der Ferne ragen die Wolkenkratzer der thailändischen Metropole in den Himmel.

Gut 80 pakistanische Katholiken sind an diesem Sonntag, vier Tage vor der Ankunft von Papst Franziskus in Bangkok, zum Gottesdienst mit einem pakistanischen Priester gekommen. Sie alle sind vor der alltäglichen Unterdrückung und Diskriminierung von Christen in ihrer Heimat geflohen, leben als rechtlose illegale Flüchtlinge in Thailand. „Die Thais meiden uns. Sie wollten im Gottesdienst nicht einmal mit uns auf derselben Bank sitzen“, sagt Qaisar traurig. Qaisar ist nicht sein richtiger Name. Wie alle für diese Geschichten interviewten Pakistaner will auch der 36-Jährige anonym bleiben.

Bangkok haben die Flüchtlinge aus Pakistan als Ziel gewählt, weil sie nach Thailand legal als Touristen einreisen können. Nach Ablauf des Visums bleiben sie illegal im Land. Den Status behalten sie, auch wenn sie bei der UN-Flüchtlingskommission (UNHCR) einen Asylantrag gestellt haben und das UNHCR ihnen Identitätspapiere ausgestellt hat. „Die Ausweise des UNHCR werden von den thailändischen Behörden nicht anerkannt“, sagt Nadeem.

Papst Franziskus in Asien

Zum Auftakt seiner Reise ist Papst Franziskus am Mittwoch in Thailand eingetroffen. Zuvor hatte er das südostasiatische Land als „multiethnische Nation“ gewürdigt und erklärt, er hoffe, sein Besuch werde die Freundschaft der katholischen Gemeinde mit „vielen buddhistischen Brüdern und Schwestern“ festigen. Katholiken machen in Thailand nur 0,5 Prozent der Bevölkerung aus. Franziskus ist der erste Papst in knapp vier Jahrzehnten, der das Land besucht. Zuletzt kam Papst Johannes Paul II. 1984. (afp)

Der 55-jährige Nadeem geriet ins Visier der Islamisten, als er in seinem Haus in Lahore eine Andacht abhielt, während in der Nachbarschaft muslimische Kinder spielten. „Mir wurde vorgeworfen, die Kinder zum Christentum konvertieren zu wollen. Ich wurde beschimpft und erhielt Morddrohungen.“ Die Geschichten der Flüchtlinge ähneln sich. Es reicht schon das Gerücht, dem Islam oder Muslimen geschadet zu haben, um verfolgt und bedroht zu werden. Die schärfste Waffe der islamischen Hardliner ist das Blasphemiegesetz, das Qaisar zum Verhängnis wurde. „Ein muslimischer Konkurrent wollte mein Geschäft in Lahore übernehmen. Als ich mich weigerte zu verkaufen, warf er mir Blasphemie vor und ein islamischer Mob zündete mein Haus an.“

Die geschätzt 1.500 pakistanischen Flüchtlingsfamilien leben in Bangkok im Untergrund. Sie können jederzeit festgenommen und in ein Lager der Einwanderungsbehörde gesperrt werden. „200 Männer sind in einen Raum gepfercht. Es gibt drei Toiletten, eine Wasserquelle und geschlafen wird auf dem nackten Boden“, schildert ein Mann, was er selbst erlebt hat.

Die große Hoffnung der Flüchtlinge ist die Umsiedlung in die EU, nach Kanada oder Australien. Die Hoffnung ist oft vergeblich. „Das UNHCR tut fast nichts, um für christliche Flüchtlinge aufnahmebereite Drittländer zu finden“, klagt der Jesuit und Menschenrechtler Michael Kelly, der von Bangkok aus über sein internationales katholisches Netzwerk christliche Pakistaner bei der Umsiedlung in Drittländer unterstützt.

In Thailand sind die Pakistaner rechtlos. „Wer uns beschäftigt, nutzt das in der Regel für eine schlechte Bezahlung aus“, klagt eine Mutter von drei Kindern, die sich mit Putzjobs durchschlägt. Für die Kinder gibt es keine Schulen.

Das pakistanische Blasphemiegesetz wurde Qaisar zum Verhängnis und zwang ihn zur Flucht

Aaron lebt mit seinen Eltern in einer 50-Quadratmeter-Wohnung am Rande Bangkoks. Mit etwas Glück wird die Familie im Frühjahr 2020 in ein westliches Land umgesiedelt. Um Zukunftschancen in der neuen Heimat zu haben, büffelt der 18-Jährige täglich nach seinem Zehn-Stunden-Job in einer internationalen Onlineschule. „Der Abschluss wird in dem Drittland anerkannt“, weiß Aaron.

An dem großen Open-Air-Gottesdienst des Papstes im Nationalstadium werden die Flüchtlinge aus Pakistan nicht teilnehmen. Louie Bacomo, Leiter des Flüchtlingsdienstes der Jesuiten in Bangkok, warnt: „Sie müssen befürchten, auf dem Weg zur Papstmesse verhaftet zu werden.“

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