Wer führt die SPD wohin?

Am Samstagabend ist klar, welches Zweiergespann künftig an der Spitze der SPD steht: Klara Geywitz und Olaf Scholz oder Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Damit geht eine lange Chefsuche zu Ende. Was wird dann aus der Partei?

Zwei Duos, die an die Spitze der SPD wollen: Olaf Scholz und Klara Geywitz (links) sowie Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans Foto: Kay Nietfeld/dpa

Von Stefan Reinecke

Vor einem halben Jahr trat SPD-Chefin Andrea Nahles zurück. 23 Regionalkonferenzen und zwei Basis­voten der 425.000 SPD-Mitglieder später hat die Partei eine neue Führung. Am 30. November ist klar, ob die 43-jährige Brandenburgerin Klara Geywitz und Finanzminister Olaf Scholz die Partei führen – oder die linke Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, genannt Nowabo. Es ist eine Richtungsentscheidung: Wendet sich die SPD nach links, oder bleibt sie in der Mitte? Verlässt sie vorzeitig die Große Koalition, oder regiert sie weiter bis zum Herbst 2021? Hier in Kürze, was Sie wissen müssen.

Haben die Teams einen Plan, wie es mit der SPD weitergehen soll?

Geywitz/Scholz

Geywitz will: Weiter so! und mehr Frauen und Osten. Scholz will: Weiter so!

Esken/Walter-Borjans

Sie haben sogar zwei Pläne. Esken will die Große Koalition so schnell wie möglich verlassen. Nowabo hält nicht viel von solchen Hauruck-Aktionen.

Wer unterstützt die Teams?

Geywitz/Scholz

90 Prozent der SPD-Fraktion. Alle SPD-MinisterInnen und Stephan Weil, der einflussreiche Ministerpräsident von Niedersachsen. Das gesamte Partei­establishment trommelt für sie. Fast zu laut. Das weckt den Verdacht, hier würden Leute vor allem ihre Jobs in Berlin verteidigen.

Ältere GenossInnen werden eher Nummer sicher wählen. Mehr als die Hälfte der SPD-Basis ist über 60.

Und: Angela Merkel. Sie hat echt keine Lust, die letzten Monate als Kanzlerin nur mit verstockten Unionsministern im Kabinett zu verbringen.

Ein paar Linkspartei-Strategen. Die ­kalkulieren: Mit dem rechten Scholz bleibt für Bartsch & Co links genug Raum. Arbeitgeberchef Ingo Kramer. Er hält Scholz für den Genossen der Bosse.

Auch eine interessante Kombi: Kapital und Linkspartei.

Esken/Walter-Borjans

Kevin Kühnert und offiziell die Jusos. Das sind ziemlich viele – rund 80.000, jedes fünfte Mitglied. Und ein großer Teil der Partei in NRW. Gegen die SPD an Rhein und Ruhr ging nie etwas. Aber das ist vorbei. Die SPD ist in ihrem größten Landesverband gespalten und auf Talfahrt.

Zudem: Linke Ökonomen. Luisa Neubauer und Umweltverbände.

Interessante Kombi: Ex-Pott-Kumpel, die die Groko nicht mögen, und Fridays-for-Future-Aktivisten

Kann er/sie Teamarbeit?

Geywitz

Ja, keine Solospielerin, kann sich aber durchsetzen.

Scholz

Klar, wenn niemand widerspricht.

Esken

Sie ist keine Solospielerin, kann sich aber durchsetzen.

Walter-Borjans

Kann Kommunikation und kommt mit allen klar: mit Unternehmern, Seeheimern und auch mit Linksparteiaktivisten. Er ist ja Kölner.

Und um welche politischen Ziele geht es?

Geywitz/Scholz

Weiter in der Groko sozialpolitische Verbesserungen durchsetzen. Konkret: prekäre, befristete Jobs reduzieren. Die Schwarze Null soll bleiben. Sie setzen auf gutes Regieren und Kontinuität. Scholz glaubt, dass die Konkurrenz aus Asien demnächst viele gut bezahlte Industriejobs in Deutschland gefährdet. Und dass nur er dieses Risiko in aller Schärfe sieht. Und dass nur eine sehr mittige SPD diesen Wandel managen kann.

Esken/Walter-Borjans

Die SPD soll wieder links werden, auf soziale Gerechtigkeit und Umverteilung setzen und die Fehler der Agendapolitik korrigieren. Die Schwarze Null soll fallen. Der Rüstungsexport soll runter, Klimaschutz viel entschlossener vorangetrieben werden. Die Sozialausgaben sollen steigen, die Investitionen in Schulen, Bildung, Kommunen auch. Dafür sollen die Steuern für Reiche erhöht werden. Esken formuliert all das radikaler, Walter-Borjans milder und pragmatischer.

Was passiert mit der SPD, wenn sie gewinnen?

Geywitz/Scholz

Ein paar SPD Linke werden noch melancholischer dreinschauen, als sie es sowieso schon tun. Mit der SPD als Ganzem wird – nichts passieren.

Esken/Walter-Borjans

Es werden wohl ein paar rechte Sozen empört austreten. Aber keine bedeutenden. Richtig interessant wird es, wenn Esken wirklich die Groko ver­lassen will und die SPD-Bundestagsfraktion sich taub stellt.

Können sie Wahlen gewinnen?

Geywitz

Im Prinzip ja. Sie gewann dreimal direkt ihr Landtagsmandat in Potsdam. Kaum hatte sie ihre Kandidatur für den SPD-Vorsitz bekannt gegeben, verlor sie ihren Job als Landtagsabgeordnete an eine junge Grüne. Mit 145 Stimmen. Gab schon besseres Timing.

Scholz

Er holte 2011 in Hamburg mit 48,4 Prozent für die SPD die absolute Mehrheit. Und ist felsenfest überzeugt, dass was in Hamburg ging, auch im Bund geht. Das Problem: Das glaubt sonst eigentlich niemand. Im Sommer, als die SPD in Umfragen bei 13 Prozent lag, behauptete Scholz, die Aussichten der SPD, den Kanzler zu stellen, wären so gut wie lange nicht. Das war zumindest originell.

Esken

Wurde mal in den Gesamtelternbeirat in Baden-Württemberg gewählt. Holte in ihrem Wahlkreis 2017 nur 17 Prozent. Aber in Calw, seit 1949 in CDU-Hand, würde auch August Bebel kein Direktmandat für die SPD holen. Esken und Nowabo glauben, dass es mit ihnen einen Effekte wie bei Martin Schulz im Februar 2017 geben wird. Alle von der SPD bitter Enttäuschten kehren zurück. Das wären ja echt viele. Aber dass der Nowabo-Esken-Zug losfahren würde, ist nur eine Hoffnung.

Walter-Borjans

War Pressesprecher von Johannes Rau, Staatssekretär und Finanzminister in NRW, aber noch nie im Parlament. Hat noch an keiner Wahl teilgenommen.

Sein/ihr größtes Problem.

Geywitz

Darf nicht zur Salatdeko werden.

Scholz

Will Merkel in der Post-Merkel Zeit sein.

Esken

Saskia wer?

Walter-Borjans

Sind 67 Jahre nicht doch echt zu viel, um auf die Idee zu kommen, mal ein Amt in der Partei anzustreben?

Wie hoch ist der Mutfaktor bei der Kandidatur?

Geywitz

Hoch. Wer mit Scholz die SPD führen will, muss mutig sein.

Scholz

Hoch. Wenn er verliert, ist er ramponiert. Auch noch gegen einen Politrentner und eine linke Hinterbänklerin – das wäre für die Reinkarnation von ­Helmut Schmidt echt bitter.

Esken

Mittel. Auch wenn sie am Samstag verliert, hätte sie ja gewonnen – an Aufmerksamkeit. Hat beim Rückkehrgesetz, das mehr Abschiebungen ermöglicht, gegen die SPD-Fraktion im Bundestag mutig mit Nein gestimmt.Walter-Borjans

Mittel. Auch wenn er am Samstag verliert, hätte er ja gewonnen – an Aufmerksamkeit. Bei dem Kauf der Steuer-CDs aus der Schweiz hat er Mut gezeigt – der Gegenwind hatte Orkanstärke.

Je ein typischer Satz

Geywitz

„Ich bin konkret, lösungsorientiert und sehr verlässlich.“

Scholz

„Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch.“

Esken

„Angst ist einfach nicht mein Ding.“

Walter-Borjans

„Ich kann viel aushalten. Ich habe eine dicke Haut.“