Coup-Roller vor dem Aus: Sharing Sozialismus

Der Elektroroller-Anbieter Coup stellt sein Geschäft ein. Das ist nicht schlimm – denn eine echte Verkehrswende braucht ohnehin ganz andere Ideen.

Eine Frau fährt auf einem Elektroroller durch Berlin

Der Elektroroller-Pionier Coup verlässt den Markt Foto: dpa

Noch zu Beginn des Jahres war man optimistisch bei Coup. Der Verleiher von E-Rollern kündigte an, seine Flotte der leisen Scooter in Berlin, Paris und Madrid deutlich auszubauen. Ein paar Monate später aber ist die Euphorie verflogen. Die Dienste des Sharing-Unternehmens werden zeitnah komplett eingestellt, die Fahrzeuge eingelagert, Restguthaben der Kund*innen können noch abgefahren oder ausbezahlt werden. Der Versuch des milliardenschweren Boschkonzerns, sich mit der hundertprozentigen Tochter Coup einen Anteil des Sharingsegments der Mobilitätsindustrie zu reservieren, ist damit vorerst gescheitert.

„Eine Fortführung von Coup ist auf dem hart umkämpften Sharingmarkt bei gleichzeitig hohen Kosten langfristig wirtschaftlich nicht möglich“, heißt es in einer Erklärung des Unternehmens. Ein Satz, der implizit ein prinzipielles Problem mit der Sharingökonomie anspricht. So einleuchtend das Prinzip der geteilten Nutzung vorhandener Produkte und Serviceleistungen zunächst auch ist, so viele Probleme tun sich bei der kommerziellen Umsetzung der verschiedenen Ideen auf.

Im Falle von Coup wird das Hauptproblem der weite Zeithorizont sein, in dem sich frühestens Profite generieren lassen. Damit ist man nicht allein. Selbst Uber, ein Branchenriese der Sharing Economy, der nicht einmal Ausgaben für eigene Fahrzeuge hat und den Großteil der wirtschaftlichen Risiken auf seine Fahrer*innen outsourct, operiert weiterhin mit Milliardenverlusten. Noch hält das Versprechen auf künftige Profite auf einem quasimonopolistisch dominierten Markt das Risikokapital bei der Stange. Noch.

Genau dieser Zwang zur absolut beherrschenden Stellung ist der Fluch, dem die Unternehmen auf dem „hart umkämpften Sharingmarkt“ unterliegen. Die deshalb nötige permanente Expansion mit großen Investitionen und mindestens mittelfristig viel zu niedrigen Erlösen fordert schon ein gerüttelt Maß an Gottvertrauen bei Investor*innen.

Der Preis der Mobilität

Coup hatte noch versucht, durch Veränderung des Abrechnungsmodus die Einnahmenseite zu verbessern. Das ist ein zwar nachvollziehbares, in der Logik des Systems aber unsinniges Unterfangen. Der Roller war gewissermaßen abgefahren, als jemand bei Bosch in der Abteilung für Venturekapital mal nachgerechnet hat, wie lange es bei idealem Verlauf mit der Amortisierung wohl dauern würde.

Allein in Berlin bedeutet die abrupte Beendigung des Experiments nach Unternehmensangaben für 75 Menschen den Verlust des Arbeitsplatzes. Rabiatere Start-ups verbessern ihre Margen noch durch sittenwidrige Beschäftigungsverhältnisse: Sogenannter Juicer, die nach dem Stücklohnprinzip die Batterien von Tretrollern aufladen, oder scheinselbständige Fahrdienstleister*innen ohne Grundlohn können ihr trauriges Lied von der schönen neuen Sharingwelt singen. Der Traum von flexiblerer und umweltverträglicherer Mobilität hat also seinen Preis und seine Grenzen.

So ist neben der offensichtlich unsozialen Struktur all der individualisierten Angebote ihnen auch ihre relative Nutzlosigkeit gemein. Überall dort, wo zusätzliche Mobilitätsangebote wirklich nötig wären, in städtischen Randgebieten oder gar auf dem Land, ist die Bevölkerungs- und damit Nutzungsdichte für einen profitablen Betrieb einfach zu niedrig.

Bonbonfarbene Straßenfüller

Stattdessen drängen sich die Anbieter in den ohnehin von Einzelfahrzeugen überquellenden Metropolenzentren und müllen diese in ihrem gnadenlosen Konkurrenzkampf mit bonbonfarbenen Rädern, Rollern und Scootern zu. Gewiss, die Reisepanzer in Privatbesitz nehmen mehr Platz weg, nur verschwinden die ja nicht, nur weil Coup einen Roller danebenstellt.

Eine Lösung des Problems könnte doch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs – seine Subventionierung gar – sein, damit er auch wirklich allen offen steht und, ja, meinetwegen auch Fahrverbote. Und warum auf halbem Wege zum Sozialismus stehenbleiben?

Bezahlen ließe sich ein nachhaltiges Verkehrskonzept ja vielleicht mit dem durch Steuern eingetriebenen Geld, das sonst nur in Hochrisikoanlagen der Sharing Economy verbrannt würde. Überhaupt, „Sharing“: Teilen geht auch ganz ohne Profitinteresse und sollte zur Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse, zu denen Mobilität gehört, ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein.

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