Das kommt: Fürs Koffertragen angeklagt
Der rund 30-jährige afghanische Flüchtling Ismael G. schaut am Donnerstag bang nach Karlsruhe. Dann wird der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden, ob seine Verurteilung wegen „Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge“ aufgehoben wird oder bestehen bleibt.
Der Afghane war an Bord eines Flüchtlingsschiffes, das Anfang 2016 in der griechischen Ägäis kenterte. Mindestens 35 Menschen starben, Ismael G. und 23 andere überlebten. Der Afghane schlug sich nach Deutschland durch, wo er jedoch angeklagt wurde. Verhandelt wurde sein Fall in einem großen „Schleuserprozess“ 2018 vor dem Landgericht Osnabrück. Der Fall wirkte wegen der vielen Toten besonders spektakulär.
Allerdings stellte sich im Laufe der Hauptverhandlung heraus, dass G. gar nicht zum engeren Kreis der Schlepper gehörte, sondern bei der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland selbst geschleust wurde. Am Ende wurde der Afghane nur wegen Beihilfe zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe sich gegenüber den Schleppern bereit erklärt, als „Ansprechpartner“ und „Kontaktperson“ für zwei allein reisende afghanische Frauen und ihre vier Kinder zu fungieren. Alle sechs waren dann bei dem Unglück gestorben.
In der Revision vor dem BGH ging es nun nicht mehr um einen spektakulären Schlepperfall, sondern um die Frage, ob bei so geringen Tatbeiträgen überhaupt eine Strafbarkeit vorliegen kann. Anwalt Till Günther sagte, es könne nicht strafbar sein, dass der Mann für die Frauen eingekauft hat und ihnen die Koffer trug. „Der Mann hat gemacht, was jeder anständige Mensch auch gemacht hätte.“
Der Vertreter der Bundesanwaltschaft hielt dagegen: Der Flüchtling habe die Schleuser entlastet, indem er die Betreuung der allein reisenden Frauen übernahm. „Dadurch hat sich der Mann auf die Seite der Schleuser gestellt.“
Wenn die Verurteilung bestehen bleibt, könnte Ismael G. sogar die Ausweisung drohen. Anwalt Günther sieht aber auch dann gute Argumente auf der Seite seines Mandanten. „Mit seinen Handlungen hat er sicher keine feindselige Einstellung zur deutschen Rechtsordnung gezeigt.“ Derzeit arbeitet der Afghane als Lagerist in einer norddeutschen Kleinstadt. Christian Rath
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