heute in hamburg: „Da geht es nur noch ums Einigeln“
Podiumsdiskussion „Attackiert – wie steht es um die Kunstfreiheit?“ mit René Gögge (MdHB, Grüne), Erhard Grundl (MdB, Grüne), Amelie Deuflhard (Intendantin Kampnagel) und Sonja Engler (Geschäftsführerin der Zinnschmelze): Mi, 19 Uhr, Kampnagel, Eintritt frei
Interview Alexander Diehl
taz: Herr Gögge, Anlass für die Diskussion ist der Befund: Zunehmend werden Kulturinstitutionen von rechts attackiert. Was genau ist da los?
René Gögge: Man muss dazu sagen: Es betrifft in der Regel die Theater, seltener andere künstlerische Bereiche. Aber häufig werden eben Theatermacher*innen persönlich verbal attackiert, teils auch bedroht; das ist die eine Seite.
Und die andere?
Die AfD versucht immer wieder, auf dem parlamentarischen Weg Einschüchterungsversuche zu platzieren: In Haushaltsberatungen, auch in Ausschüssen, weist sie darauf hin, dass Kulturinstitutionen angeblich politisch einseitig handeln.
Das Argument: Wer staatliches Geld kriegt, soll „neutral“ sein.
Dieser Gedanke ist nicht vereinbar mit der Kunstfreiheit, wie sie im Grundgesetz verankert ist: Daraus resultiert gerade nicht ein politischer Neutralitätsgedanke – sondern es geht vor allem um Freiheit. Theater ist dafür da, zu konfrontieren: mit Personen, Geschichten, Situationen, mit denen man sonst vielleicht nicht in Berührung kommt. Genau das will die AfD mit ihrer „national erbaulichen Kultur“ verhindern. Da geht es ja nur noch ums Einigeln ins Gemütliche, Bequeme, Bekannte. Und das immer ausgehend von dem völlig verqueren Gedanken einer nationalen Leitkultur.
Kommt die Bedrohung ausschließlich von rechts?
Das zu behaupten, wäre anmaßend, glaube ich. Es gibt durchaus Menschen, die meinen, aus verletzten religiösen Gefühlen heraus etwa Theateraufführungen verhindern zu müssen. Aber inzwischen haben wir es überwiegend mit Bedrohungen durch völkisch-nationalistische Kräfte zu tun.
René Gögge, 33, sitzt seit 2015 für die Grünen in der Bürgerschaft. Der Diplom-Verwaltungswirt ist Sprecher für Kultur- und Wissenschaftspolitik.
Kultursenator Carsten Brosda (SPD) hat jüngst von drei Richtungen gesprochen, aus denen Gefahr drohe. Einmal die nationalistisch-populistische. Dann eine, die man – verkürzt – identitätspolitisch nennen könnte: Darf jede*r über alles sprechen, also etwa der weiße Mittelklasse-Mann über Kolonialismus?
Das wären ja Vorbehalte, die man irgendwie „links“ einordnet.
Drittens nannte er eine Vereinnahmung für „die gute Sache“. Wir sagen gerne, dass Kunst Anstoß erregen darf oder es sogar muss – muten wir dabei anderen auch mal mehr zu als uns selbst?
Inwiefern er oder sie bereit ist, den Wert der Kunstfreiheit wirklich hoch zu halten, das muss wohl jede*r immer wieder selbst überprüfen. Ich bin aber auch davon überzeugt: Man darf Kultur nicht überfrachten mit politischen Sachfragen – auch nicht mit Inklusion oder einer Erziehung im ökologischen Sinn.
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