Volksentscheid in Berlin: Zwang zur Transparenz

Eine Initiative sammelt Unterschriften für ein Berliner Transparenzgesetz. Das könnte unter anderem datenjournalistischen Projekten helfen.

Blick auf den Turm enes Gebäudes im Mondschein

Das rote Rathaus bei Nacht: Das Transparenzgesetz soll Licht ins Dunkel bringen Foto: Rolf Zöllner/imago images

BERLIN taz | Monatelange Bearbeitungszeiten, verschwundene Akten und Beamte, die nichts davon wissen, was ihre Kolleg*innen in der Behörde nebenan machen – Informationen in deutschen Verwaltungen sind oft tief vergraben. Eine Initiative will nun mit einem Volksentscheid Licht in das Dunkel zumindest der Berliner Verwaltungen bringen.

Neben mehr Transparenz, Korruptionsresistenz und einer effizienteren Verwaltung könnte das geforderte Gesetz auch neue Möglichkeiten für Journalist*innen bieten. „Wir wollen das Verhältnis von Stadt und Bürger umkehren“, erklärt Arne Semsrott. Der Aktivist der Open-Knowledge-Foundation ist einer der Mit-Initiatoren des Volksentscheids Transparenzgesetz. Noch bis Ende Oktober läuft die Unterschriftensammlung für die erste Hürde des Volksentscheids. Wenn alles gut läuft, wird 2021 zur Bundestagswahl abgestimmt.

In einem 64-seitigen Gesetzentwurf hat die Initiative ihre Vorstellungen von Transparenz festgehalten: Sämtliche Informationen und Dokumente, die in der Politik und Verwaltung anfallen, müssen demnach proaktiv und maschinenlesbar auf einer zentralen Internetplattform veröffentlicht werden. Dazu gehören neben Sitzungsprotokollen und Beschlüssen auch sämtliche Verträge, externe Gutachten sowie sonstige Datensätze wie Umwelt- und Verkehrsdaten.

Kurz gesagt: Die Stadt veröffentlicht alles, was sie weiß, ohne dass man extra danach fragen muss. Für wie viel Geld verkauft die Stadt ihre Grundstücke? Unter welchen Bedingungen? Träte das Transparenzgesetz in dieser Form in Kraft, so ließen sich all diese Informationen mit wenigen Klicks online abrufen.

Papiertiger IFG

Nach dem bislang gültigen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sind Behörden zwar grundsätzlich dazu verpflichtet, Informationen herauszugeben, in der Praxis wird das Gesetz aber selten seinem Namen gerecht. Möchte eine interessierte Person zum Beispiel Einsicht in eine Akte nehmen, braucht es einen gebührenpflichtigen Antrag. Die Bearbeitungszeit kann mehrere Monate betragen, zudem beinhaltet das IFG eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen. Für Journalist*innen, die mit engen Deadlines konfrontiert sind, ist das IFG deshalb oft wenig brauchbar.

Durch das Transparenzgesetz müssten sämtliche Informationen schon im Vorfeld veröffentlicht werden. „Den Behörden wird unmöglich gemacht, Recherchen durch gezielte Verzögerungen auszubremsen“, erklärt Semsrott, der selbst als Journalist tätig ist. Besonders interessant seien auch Informationen der landeseigenen Unternehmen, die derzeit nicht unter das IFG fallen, so Semsrott.

Recherchen werden also einfacher, schneller und umfangreicher möglich. Fraglich bleibt aber, ob ein Transparenzgesetz dunkle Geheimnisse, die vorher tief in den Aktenschränken schlummerten, ans Tageslicht bringt.

„Der große politische Skandal blieb bisher aus“, fasst der Hamburger Open-Data-Aktivist Timo Lundelius die Erfahrungen mit dem 2012 erlassenen Hamburger Transparenzgesetz zusammen. Damals forderten viele aufgrund der Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie, deren Verträge zum Bau öffentlich zu machen.

Perfekt ist das Hamburger Gesetz aber noch lange nicht: „Hier ist genug Dreck, der da trotzdem durchgeführt wird“, so Lundelius, dafür lasse das Gesetz genügend Lücken. Investigative Journalist*innen verlassen sich deshalb weiterhin zusätzlich auf erprobte andere Zugänge, wie etwa Informant*innen in den Behörden.

Eine Goldgrube kann das Transparenzgesetz jedoch für Datenjournalist*innen darstellen, gerade wegen der zentralen Verfügbarkeit der öffentlich zu machenden Datensätze. Dazu gehören Daten zur Wasserqualität, Baumkataster und Feinstaubbelastungen. Auch die Daten der städtischen Wohnungsbauunternehmen wären frei verfügbar. So könnte die Auswertung ganz neue Perspektiven zum Beispiel auf den Berliner Wohnungsmarkt ermöglichen. „Es würde einen Schub innovativer journalistischer Formen geben“, ist sich Semsrott sicher.

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