: Der Kosovo steht vor einem Machtwechsel
Opposition wird bei Parlamentswahl stärkste Kraft. Die Wahlbeteiligung liegt unter 50 Prozent
Im Kosovo zeichnet sich ein Machtwechsel ab. Nach dem Sieg der Opposition bei der Parlamentswahl am Sonntag kann der Führer der linksnationalistischen Vetëvendosje (Selbstverteidigung), Albin Kurti, mit dem Auftrag zur Regierungsbildung rechnen. Das nur zwei Jahre amtierende Regierungsbündnis aus Parteien, die aus der Aufstandsmiliz UÇK hervorgegangen waren, ist damit abgewählt.
Kurtis Vetëvendosje brachte mit 25,6 Prozent die relativ meisten Wähler hinter sich, wie die Zentrale Wahlkommission nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen am Montag auf ihrer Webseite mitteilte. Dicht dahinter folgte die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovos (LDK), die mit ihrer Spitzenkandidatin, der Juristin Vjosa Osmani, die auf 24,9 Prozent der Stimmen kam.
Die Demokratische Partei des Kosovo (PDK) des Staatspräsidenten Hashim Thaçi landete mit 21,1 Prozent auf den dritten Platz. Die Allianz für die Zukunft des Kosovos (AAK) von Ministerpräsident Ramush Haradinaj erreichte 11,5 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag laut Wahlkommission mit 44 Prozent um 2,5 Prozentpunkte höher als 2017.
Kurti ließ sich Sonntag um Mitternacht von seinen Anhängern auf dem Skanderbeg-Platz im Zentrum von Pristina als Wahlsieger feiern. „Wir haben die Republik vor der Geiselnahme durch die Politik gerettet“, hatte er zuvor im Fernsehsender T7 erklärt. „Heute haben wir diesem Drama ein Ende bereitet.“ Er werde sich um eine rasche Regierungsbildung bemühen und die LDK dazu einladen.
Der Wahlausgang bedeutet das Ende der langjährigen Dominanz der PDK über die kosovarische Politik. Ihr Spitzenkandidat Kadri Veseli gestand am Wahlabend die Niederlage ein. Mit dem ehemaligen UÇK-Oberkommandierenden Hashim Thacçi stellte die PDK von 2008 bis 2014 den Premier und von 2016 bis jetzt den Staatschef. In der nun abgewählten „Kriegskoalition“ aus PDK, AAK und der kleineren Nisma war sie die bestimmende Kraft.
Die vorgezogene Wahl war nötig geworden, weil Haradinaj im Juli zurückgetreten war. Er musste sich einer Befragung durch das Kosovo-Sondergericht in Den Haag unterziehen. Der ehemalige regionale UÇK-Kommandeur sieht sich mit Vorwürfen wegen Kriegsverbrechen in den 1990er Jahren konfrontiert.
Der 44-jährige Wahlsieger Kurti ist nicht unumstritten. Früher war er durch eine neomarxistische, anti-westliche und nationalistische Rhetorik aufgefallen. In der Zeit der internationalen Verwaltung bewarfen er und seine Gefolgsleute deren Fahrzeuge und Gebäude mit Farbbeuteln. Im Parlament zündeten seine Abgeordneten gelegentlich Tränengasgranaten. Zuletzt trat er aber gemäßigter auf. (dpa)
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