Offizierinnen und Garnelen

In Hannover steht die diesjährige Ausgabe des queeren Filmfestivals „Perlen“ an. Dokumentationen aus Deutschland bilden einen Schwerpunkt – zum Schluss gibt‘s aber doch auch eine französische Komödie

1966 wurde sie Weltmeisterin im Abfahrtslauf. Dann ergaben Tests: Erika ist männlich

Von Wilfried Hippen

Nach dem queeren Filmfestival ist vor dem queeren Filmfestival. Das jetzt wieder in Hannover anstehende hat mit „Perlen“ nicht nur einen speziellen Namen, es läuft auch länger als eine Woche – und ist somit, zumindest was die Zahl der Vorstellungen angeht, größer als die jüngst an dieser Stelle gewürdigten Veranstaltungen in Bremen und Hamburg.

Weil sich die „Perlen“-Verantwortlichen weniger als jene an Weser und Elbe am Berlinale-Programmpunkt „Panorama“ orientieren, gibt es auch nur wenige Überschneidungen zwischen dem hannoverschen Festival und den beiden anderen. Stattdessen sind für „Perlen“ sechs Kurzfilmprogramme zusammengestellt worden, die verschiedene Interessen bedienen sollen; so gibt es Programme mit Titeln wie „Young Desires“ und „trans*Kids; Vol 3“.

Einen Schwerpunkt des Festivals bilden Dokumentarfilme aus Deutschland. So einer ist „Nicht mehr unter Kontrolle“ (Mo, 18 Uhr): Andreas von Hören stellt darin fünf schwule Männer vor, die von ihren Suchterkrankungen erzählen, neben Alkoholismus etwa Drogen-, Spiel- oder auch Esssucht. In Moritz Leicks „Die Ehe der Herren Schultze“ (So, 18 Uhr) geht es um Kurt und Toon, seit 47 Jahren ein Paar, seit 2007 verheiratet.

„Ich bin Anastasia“ von Thomas Ladenburger (Fr, 18 Uhr) erzählt die Geschichte von Anastasia Biefang, die als Junge aufwuchs und sogar bei der Bundeswehr Karriere machte. Als Oberstleutnant entschied sie sich offen als Frau weiterzuleben – und stieß zu ihrer Überraschung nicht auf Schwierigkeiten, sondern bekam sogar einen Posten als Kommandantin angeboten.

Absurder und dramatischer dagegen die Geschichte eines intersexuellen Menschen im Österreich der 1960er-Jahre: In „Erik & Erika“ von Reinhold Bilgeri (Do, 20 Uhr) geht es um Erika Schinegger, gefeierte Skiläuferin und 1966 sogar Weltmeisterin in der Damen-Abfahrt. Neue Tests zur Geschlechtsbestimmung stellten dann heraus: Erika ist männlich. Der Skiverband versuchte den „Skandal“ zu vertuschen, die Athletin fand am Ende doch eine Identität – als „Erik“.

Eine französische Komödie beendet dann das Festival: Maxime Govare und Cédric Le Gallo erzählen in „Die Glitzernden Garnelen“ (OmU, Sa, 26. Oktober, 22 Uhr) die altbewährte Geschichte einer schlecht spielenden Sportmannschaft, die ein Trainer zu erstaunlichen Leistungen anspornt. Der spezielle Dreh: Diese Wasserballer sind schwul, und der Trainer (Nicolas Gob) ist zu ihnen strafversetzt worden – nach homophoben Sprüchen bei einem Fernsehauftritt.

Perlen – Queer Film Festival Hannover: 19. bis 26. Oktober, Hannover, Kino im Künstlerhaus. www.hannover.de/Kommunales-Kino/Festivals-Events/Perlen-Queer-Film-Festival-Hannover