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„Wir wollen die Regierung Netanjahu ablösen“

Sollte eine Große Koalition scheitern, könnte sich das Augenmerk auf die arabischen Parteien der Vereinten Liste richten. Deren Chef Ayman Odeh will zunächst aber hören, was Blau-Weiß für Angebote macht

„Endlich wird es eine Opposition geben, wie es sich gehört.“

Ayman Odeh, Vereinte Liste

Aus JerusalemSusanne Knaul

Mit voraussichtlich 13 Sitzen wird die Vereinte Liste, die hauptsächlich arabische Parteien umfasst, in die Knesset einziehen. Für Listenchef Ayman Odeh stellt sich nun die Frage: Regierungsbeteiligung oder Opposition? Einen Tag nach der Wahl deutet alles darauf, dass Staatspräsident Reuven Rivlin den Blau-Weiß-Chef Benny Gantz mit der Bildung einer Regierung beauftragen wird. Sollte es nicht zu einer Großen Koalition von Likud, Blau-Weiß und möglicherweise Israel Beitenu kommen, könnte Gantz auf Odehs Vereinte Liste angewiesen sein. Allerdings: Gantz hat ein Zusammengehen mit der Vereinten Liste grundsätzlich ausgeschlossen. Nur wird es ihm ohne die 13 Mandate nicht gelingen, eine Koalition der liberalen Mitte-Parteien zu bilden.

Erst nach einer Sitzung der Parteiführung will Odeh mit Gantz beraten. „Unsere Richtung ist völlig klar“, sagt er. „Wir wollen die Regierung Netanjahu ablösen.“ Gleichzeitig solle niemand selbstverständlich mit der Unterstützung der Vereinten Liste rechnen. Zunächst wolle er hören, was Gantz den arabischen Bürgern und den ­antizionistischen Kommunisten, seinen Partnern in der Vereinten Liste, für Angebote macht.

Auch die Opposition würde Odeh nicht schrecken. Im Falle einer Großen Koalition würde Odeh Oppositionsführer werden. „Ein ehrenhaftes Amt“, findet er, das ihm Gelegenheit geben werde, über das umstrittene Nationalstaatsgesetz zu reden, das Israels Parlament im vergangenen Jahr verabschiedete und das die arabische ­Minderheit noch weiter ins Abseits der Gesellschaft drängt. „Und über die nicht anerkannten Dörfer im Negev“, die bis heute ohne Wasser- und Stromversorgung sind und denen der Abriss droht. „Endlich wird es eine Opposition geben, wie es sich gehört.“

Entscheidend für das gute Abschneiden der Vereinten Liste ist die überraschend hohe Wahlbeteiligung der arabischen Israelis. Bei der letzten Wahl lag die Beteiligung bei unter 50 Prozent.

Diesmal gelang es den vier Parteien, drei arabischen und der einen antizionistischen Partei, ihre Wähler zu motivieren. Grund dafür dürfte das erneute Bündnis der Parteien sein. Im April waren sie getrennt angetreten. Grund dürfte aber auch die Hetze Netanjahus gewesen sein, der noch kurz vor der Wahl ein Gesetz in die Knesset einbrachte, um die Anbringung von Kameras in den arabischen Wahlstationen durchzusetzen, was ihm nicht gelang. Die Araber, so begründete Netanjahu seinen Plan, „klauen uns die Wahl“.

Eine Koalition mit den arabischen Parteien war erstmals im Vorfeld der Wahl im Jahr 1999 ins Gespräch gekommen, als der damalige Spitzenkandidat der Arbeiterpartei, Ehud Barak, der arabischen Minderheit versprach, sie in seine Regierung zu holen, sollte er die Wahl gewinnen. Barak setzte sich damals mit den Stimmen der arabischen Wähler gegen Netanjahu durch, hielt aber sein Wahlversprechen nicht.

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