Ulrich Gutmair über den niederländischen Streit ums „Goldene Zeitalter“: Wie wär’s mit Gänsefüßchen?
In den Niederlanden wird heftig gestritten, seitdem seit das historische Museum von Amsterdam angekündigt hat, den Begriff „Goldenes Zeitalter“ für das 17. Jahrhundert nicht mehr zu verwenden. Als „Goldenes Zeitalter“, auf Niederländisch „de Gouden Eeuw“, wird eine rund hundert Jahre währende Blütezeit bezeichnet, als das Land eine kulturelle, militärische und wirtschaftliche Weltmacht war.
Das Amsterdam Museum will den Begriff aus der Sammlung, den Ausstellungen und Broschüren entfernen und durch „17. Jahrhundert“ ersetzen, weil er „die vielen negativen Seiten wie Armut, Krieg, Zwangsarbeit und Menschenhandel“ ignoriere, sagt Tom van der Molen, der Konservator des Amsterdam Museum. Einer der Kritiker dieses Schritts heißt Mark Rutte. Das „Goldene Zeitalter“ habe auch negative Seiten gehabt, ja. „Aber dann soll man die benennen und nicht das Etikett entfernen“, kritisiert der Ministerpräsident.
Mitte des 17. Jahrhunderts produzierten rund 700 niederländische Meister um die 70.000 Bilder pro Jahr. Zur selben Zeit dominierten die Niederländer den Welthandel; ihre Handelsflotte umfasste um 1670 rund 15.000 Schiffe, fünfmal so viele, wie unter britischer Flagge segelten. Der Handel mit den Kolonien bescherte dem Land immensen Reichtum. Aus dem Sklavenhandel hatten sich die Niederländer anfangs herausgehalten, später konnte man den damit zu erzielenden Gewinnen aber nicht mehr widerstehen.
Der Begriff des „Goldenen Zeitalters“ tauge nichts, hatte der niederländische Historiker Johan Huizinga schon vor vielen Jahrzehnten befunden. „Wenn unsre Blütezeit einen Namen haben soll, so nenne man sie nach Holz und Stahl, Pech und Teer, Farbe und Tinte, Wagemut und Frömmigkeit, Geist und Phantasie.“
Tom van der Molen und Johan Huizinga haben Recht: Der Begriff ist keine adäquate Beschreibung. Klüger als die Begriffsstürmer ist allerdings Mark Rutte. Denn auch Begriffe haben ihre Geschichte, werden selbst irgendwann zu historischen Artefakten. Es gibt seit jeher eine einfache Methode, damit umzugehen: konsequent Anführungszeichen benutzen!
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