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Junge Malerei damals und in der Gegenwart

In Berlin ist wieder einmal Art Week. Zwei Messen, 16 institutionelle Partner, 15 Privatsammlungen und 20 Projekträume sind dabei. Aber auch die Galerienlassen sich was einfallen. Crone etwa zeigt junge Kunst aus den 80er Jahren und von heute

Von Brigitte Werneburg

Es ist verrückt. Aber noch immer überraschen die Berliner Galeristen zu Anlässen wie dem Gallery Weekend und jetzt bei der Berlin Art Week mit neuen, extravaganten Räumlichkeiten. Diesmal ist es die Galerie Crone, die sich im zweiten und im vierten Stock eines der bombastischen Rundbauten am Tempelhofer Platz der Luftbrücke weitläufige Zimmerfluchten von wenigstens 300 Quadratmeter gesichert hat. Und damit Platz genug für eine Ausstellung von Museumsformat.

„Zwei Alter: Jung“ zeigt Kunst aus den 80er Jahren und von heute, unter der Fragestellung, wie sich Jungsein jeweils in der Malerei äußert. 25 Arbeiten von in den 80er Jahren jungen Künstlern und Künstlerinnen und 25 Arbeiten ihrer heutigen jungen Kollegen und Kolleginnen sind zu sehen. Wie unterscheiden sich die Herangehensweisen, wo mit Leinwand, Farbe und Pinsel noch immer auf der gleichen Grundlage argumentiert wird?

Es geht also um Gestik und Form, vor allem aber Motive und Narrative der Bilder im Kontext der Zeit. Und da fragt man sich, bevor man noch den Rundgang antritt, ob der Vergleich nicht zu Ungunsten der heute jungen Leute ausfallen muss? Denn sind nicht die Zeiten für junge MalerInnen heute schwieriger, als es die 80er für ihre Vorgänger waren?

Damals kamen Ronald Rea­gan, Margaret Thatcher und die Postmoderne an die Macht. Kunst wurde zu einem richtigen Geschäft, nicht zuletzt dank der Renaissance der Malerei durch neoexpressiv und gerne auch figurativ arbeitende junge KünstlerInnen. Die sogenannten Neuen Wilden, Heftige Malerei und Bad Painting wurden in Frontstellung gegen den Neokonzeptualismus gesehen, wie ihn etwa die sogenannte Pictures Generation mit Richard Prince, Louise Lawler und Robert Longo repräsentierte. Großes Dokument dieses Streits um die Leitherrschaft ist Craig Owens’ Essay „Honor, Power and the Love of Women“, 1983 in Art in America erschienen.

Heute wäre ein solcher Streit, vor allem in der damaligen diskursiven Form undenkbar. Man argumentiert mit Likes und Dislikes und ansonsten gilt „anything goes“ – es sei denn, man wittere moralisch oder politisch anstößige Thesen. Da muss man sich in künstlerischer Hinsicht schon etwas allein gelassen fühlen, zumal auch der Galerienboom vorbei ist und es um Konsolidierung geht. Aber gut, Jan Zöller, der in Karlsruhe und an der Ecole des Beaux Arts in Paris studiert hat, meint mit der geometrisch reduzierten Figur eines 2019 entstandenen Gemäldes: „It’s ok to walk home alone“.

Und ja, sein Bild hält etwa mit Werner Büttners „Frühling noch …“, 1981, gut mit. Die Jungen aus den achtziger Jahren sind ja heute samt und sonders bekannte, wenn nicht weltberühmte Künstler. Da muss es sich schon speziell – und sicher auch, aber nicht nur speziell gut – anfühlen, neben Martin Kippenberger und Albert Oehlen zu hängen. Dessen „Kampf dem gemeinen Rebrüssler“ von 1980 ist natürlich unschlagbar, so extrem komisch und malerisch so extrem instinktsicher, wie der Black Hawk Down auf die Leinwand gesetzt ist.

Dass sich die Malerei und mehr noch die Zeiten ändern, zeigt sich gerade in Tempelhof

Toll ist auch Walter Dahns „Mann mit großer Nase“, 1982, der ein bisschen wie der störende Schüler in die Ecke gestellt, also gehängt wurde und nun verblüfft auf die Wand zustarrt. Auch Rosemarie Trockel sieht sich in „Ich als Clown“, 1984, mit großer Nase. Sie ist rot und korrespondiert bestens mit dem Rot der Lippen von Amoako Boafos in Schwarz in Schwarz gemalter „Sleepy Lady“, 2019, mit der Trockels Clown den Raum teilt. Es korrespondiert vor allem aber die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, bei Trockel der als Frau, bei Amoako Boafa, der in Wien an der Kunstakademie bei Kirsi Mikkola studiert, der als Schwarzafrikaner.

Interessant die Gegenüberstellung von Kippenbergers dreiteiligem „Gruga-Bad“, 1982, und Jenny Brosinskis Großformat „Untitled (Cool, Fool, Pool)“ aus diesem Jahr. Brosinskis Leinwand, die reichlich Platz an der Wand einnimmt, dabei aber nur durch eine zarte flächige Geometrie und ein bisschen Farbe markiert ist, steht gegen die knallige Farbgeometrie von Kippenbergers Freibad.

Dass sich die Malerei und mehr noch aber die Zeiten ändern, zeigt sich gerade hier. Denn Jenny Brosinski hat sich mit ihren Bildern über Instagram selbst bekannt gemacht. 2015 hatte sie ihren ersten Like von Jerry Saltz und wenig später kam Klaus Biesenbach und die Galerien sowieso. Dass sie nachzogen, heißt nicht, dass der Galerieraum jungen Künstlern nicht noch ganz andere, überraschendere Möglichkeiten bietet, ihre Arbeiten öffentlich zu machen und zu debattieren. „Zwei Alter: Jung“ belegt das aufs Schönste. Wie überhaupt die Art Week diesen Beweis antreten will (Programm siehe taz-plan).

Bis 10. November, Crone Side, Tempelhofer Damm 2, Mi.–Sa. 11–18 Uhr

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