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Neue Lokführer*innen braucht das Land

Die Deutsche Bahn wirbt in norddeutschen Städten um neue Mitarbeiter*innen. Gesucht werden Lokführer, Zugbegleiter aber auch Ingenieure und Elektriker. Ein Ziel: doppelte Fahrgastzahl bis 2030

Übung am Fahrsimulator: Acht Monate dauert eine Umschulung zum Lokführer für Quereinsteiger mit einer abgeschlossenen Ausbildung Foto: dpa

Von Joachim Göres

„Willkommen, du passt zu uns.“ So steht es auf den grünen Poloshirts der Mitarbeiter der Deutschen Bahn, die derzeit bundesweit in 27 Städten auf der Suche nach neuen Bahnbeschäftigten sind – so wie kürzlich in der Innenstadt von Bremen und Hannover. Auf ihrer „DB-Jobtour“ wollen sie interessierte Menschen von den Möglichkeiten als Lokführer*in, Fahrdienstleiter*in, Zugbetreuer*in oder in einem der anderen 500 Bahnberufe überzeugen. Der Bedarf ist groß: 2019 will die DB 22.000 Stellen neu besetzen. In der Zukunft sollen insgesamt 100.000 Menschen eingestellt werden, unter anderem weil bis 2030 die Fahrgastzahl verdoppelt werden soll.

„Alleine für Hannover haben sich im Vorfeld 300 Interessierte für ein Bewerbungsgespräch angemeldet. In Bremen war die Zahl niedriger, doch auch dort sind wir mit der Resonanz zufrieden“, freut sich Dirk Marquardt, Leiter des DB-Teams Fachkräftegewinnung für den Bereich Bremen und Hannover. Die meisten hätten sehr realistische Vorstellungen von den Berufsmöglichkeiten bei dem Staatskonzern. „Nicht selten können wir direkt nach dem ersten Kontakt bereits eine mündliche Zusage geben, vorbehaltlich der ärztlichen und psychologischen Untersuchung.“

Viele der Bewerber in Hannover hoffen auf Verbesserungen durch einen Wechsel zur Bahn. „Ich arbeite in der Medienbranche, da gibt es viele Veränderungen und die Perspektive ist unsicher“, sagt ein 48-Jähriger. Und Technik habe ihn schon immer interessiert. „Deswegen würde ich gerne als Lokführer arbeiten“.

Wochenend- und Nachtarbeit sieht er für sich nicht als Problem, Hannover sollte aber der Ausgangspunkt für seine Fahrten sein, da er dort mit Frau und Kindern lebt. „Das wäre ein sicherer Job bei einem großen Arbeitgeber und letztlich auch mehr Geld im Portemonnaie.“ Falls es mit der Bewerbung klappt, käme auf ihn eine achtmonatige Umschulung bei vollem Gehalt zu. Als Quereinsteiger zum Lokführer werden Personen jeden Alters mit einer abgeschlossenen Ausbildung gesucht.

Eine 52-Jährige arbeitet derzeit halbtags in der Gastronomie, daneben hat sie einen weiteren Teilzeitjob. „Die DB reizt mich vor allem wegen der vollen Stelle im Speisewagen, das wäre viel einfacher als der ständige Wechsel zwischen zwei Jobs“, sagt die Frau, die auf dem Land wohnt und bis zum nächsten Bahnhof 15 Kilometer fahren muss. Auch eine Arbeit als Zugbegleiterin könnte sie sich vorstellen. „Ich habe ein Auto, das wäre kein Problem.“

Die Frage nach Führerschein und eigenem Pkw wird den Bewerbern bei den Gesprächen in Hannover regelmäßig gestellt, da bei Dienstbeginn am frühen Morgen noch keine Busse und Bahnen fahren. Auch sie rechnet bei einer Anstellung bei der DB mit einem sicheren Job und besserem Verdienst.

Bei den Servicekräften sind jene Bewerber im Vorteil, die neben einer Ausbildung auch Erfahrung im engen Kundenkontakt haben. Ein 23-Jähriger aus Hannover, der vor vier Jahren aus Somalia nach Deutschland gekommen ist, hofft auf eine Ausbildung zum Elektriker bei der Bahn. Gegenwärtig arbeitet er noch als Lagerhelfer. „Die Bahn ist ein seriöses Unternehmen und bietet sichere Arbeit, das gefällt mir“, sagt er.

Laut Allianz pro Schiene kommen auf hundert Lokführer-Stellen nur 25 Bewerber

Die Deutsche Bahn sucht gezielt auch Menschen mit Ausbildung und Berufserfahrung aus anderen Bereichen. So sind besonders Bau-, Elektro- und Wirtschaftsingenieure für eine bessere Infrastruktur gefragt. Dabei geht es um den Erhalt und den Ausbau von Brücken, Tunneln, Bahnhöfen und Schienen, wofür Bauüberwacher, Planungsingenieure und Projektleiter eingestellt werden. Für den Ausbau des digitalen Schienennetzes ist die Bahn auf der Suche nach IT-Experten, die Großprojekte in den Bereichen Logistik und Mobilität umsetzen.

Nicht nur Quereinsteiger, sondern auch Auszubildende sind bei der Bahn begehrt – derzeit läuft die Suche für den Beginn der dreijährigen Ausbildung im Herbst 2020. Die DB Fernverkehr in Hamburg bildet zum Lokführer aus. Bei der DB Netz in Hannover startet dann die Ausbildung zum Tiefbaufacharbeiter/Gleisbauer. Während der Ausbildung zum Fahrdienstleiter lernen junge Leute ab September nächsten Jahres bei der DB Netz die Stellwerkstechnik unter anderem in Bad Oldesloe, Lübeck, Itzehoe und Elmshorn kennen – sie sind künftig für das Stellen von Weichen und Signalen verantwortlich. Bei der DB Kommunikationsteam in Hannover, Braunschweig und Bremen wird zum IT-Systemelektroniker ausgebildet.

Doch die Bahn bildet auch Busfahrer für ihren Busverkehr aus, so beim Weser-Ems-Busverkehr in Osnabrück. Und dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung zum Mechatroniker bei der DB Regio unter anderem in Seelze, Hannover, Braunschweig, Bremen, Neumünster und Kiel. Zudem bietet die Bahn in Kooperation mit Berufsakademien wie in Kiel duale Studiengänge in Wirtschaftsinformatik, Elektrotechnik und Bahn- und Bauingenieurwesen an.

Wann sich die Einstellungsoffensive der DB für Fahrgäste bemerkbar macht und wie die geplante Verdoppelung der Zugreisenden bis 2030 realisiert werden soll, ist völlig offen. Bahnfahrer werden an den Gleisen häufig informiert, dass ihr Zug zu spät oder gar nicht kommt. Für 42 Prozent der Ausfälle und Verspätungen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres in Niedersachsen war ein Mangel an Lokführern verantwortlich – nach Angaben der Allianz pro Schiene kommen auf hundert offene Stellen nur 25 Bewerber.

Näheres zu den Bahnberufen sowie weiteren Terminen der DB-Jobtour (unter anderem am 28. 9. in Rostock) auf https://karriere.deutschebahn.com

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