: Mieter unter Schikane
Mit stets neuen Vorwürfen versucht die Wohnungsgenossenschaft Espabau, einen Mieter loszuwerden. Das Bündnis gegen Zwangsräumungen ist sich sicher: Der Grund ist Rassismus
Von Lotta Drügemöller
John Jenkins soll seine Wohnung verlieren. Weil seine Miete zu spät kommt, so die aktuellste Begründung fürs Gericht. Weil er seine Nachbarn belästigt, meint die Baugenossenschaft Espabau. Weil er schwarz ist und die Espabau rassistisch, glauben Jenkins und seine MitstreiterInnen. Viermal wurde ihm schon gekündigt, mit unterschiedlichen offiziellen Begründungen. Dreimal bisher hat das Gericht die Kündigung zurückgewiesen.
Die Geschichte beginnt 2016 als Nachbarschaftsstreit. Jenkins fordert die Espabau auf, seine Nachbarin R. abzumahnen – sie lagere Windeln und Katzenklostreu auf ihrem Balkon. Fünf andere MieterInnen unterzeichnen den Aufruf. Doch der Müll bleibt, weitere Windeln wandern in die Mülltonnen der Nachbarn.
Nachbarin R. hört von der Beschwerde. Jetzt, so Jenkins, beginnen die Beleidigungen. „Scheiß N*, scheiß Ausländer, raus hier“, rufen R., ihr Freund und ihr Bruder ihm zu. Mit Schlagstock und Messer wird der Liberianer bedroht, seine Wohnungstür wird eingetreten, immer wieder muss Jenkins die Polizei rufen. Als im März 2018 sein Fahrrad gestohlen wird und Zeugen angeben, R.s Freund damit gesehen zu haben, wird Jenkins wütend; er klebt einen Zettel mit wüsten Beleidigungen an die Tür der Nachbarin.
Nun folgen Kündigungen – gegen Jenkins, nicht gegen R. Als die Kellertür seiner Nachbarin kaputtgeht, verdächtigt man ihn. Das Gericht sieht keinen Beweis, die Espabau verliert. Der zweite Vorwurf: Jenkins habe eine Mitarbeiterin der SWB geschubst. Tatsächlich hatte er die Frau ohne Ausweis nicht eingelassen, doch Gewalt war nicht im Spiel; die SWB entschuldigte sich für die fehlerhafte Kontrolle, die Espabau verliert.
Der dritte Streich folgt sogleich: Jenkins soll seine Miete nicht bezahlt haben; doch die Rechnung ist falsch. „Das war ein Versehen von uns“, gibt Marc Bohn, Vorstand der Espabau, zu. „Das kann ja mal passieren.“ Die Espabau zieht die Kündigung zurück, eine Entschuldigung folgt nicht. Stattdessen wird ein alter Vorfall herausgeholt: Jenkins habe 2016 die Schiebetür des Espabau-Büros getreten, bis sie aufgegangen sei – und sei dann einer Mitarbeiterin hinterhergelaufen. Auch hier wird entschieden: Von Gewaltanwendung kann nicht die Rede sein. Die Espabau verliert.
Eine andere Wohnung möchte die Espabau Jenkins nicht vermitteln: „Dann macht er dort Stress“, so Bohn. Dabei war, das sagt der Genossenschaftsvorstand selbst, Jenkins über Jahre ein ruhiger Mieter, bevor der Konflikt mit der Nachbarin begann.
Den Rassismusvorwurf weist Bohn von sich. „Wir müssen unsere Mieter vor solchen Leuten schützen“, sagt er – und erzählt, Jenkins habe Fremdmüll aus seiner Tonne auf den Boden geworfen. „Auch wenn Hunde auf den Rasen pinkeln, wenn der Müll falsch sortiert ist, alles ist für Herrn Jenkins ein Grund zur Aufregung.“
John Jenkins, Mieter
Seine notdürftig reparierte Tür will man nicht ersetzen. Zu teuer sei das, so die Espabau in einem Schreiben von Anfang Juni. Ein weiterer Grund: „Der bestehende Konflikt zwischen Ihrem Mandanten und der Nachbarin R.“ Jenkins versteht das nicht. „Ich habe Angst“, erklärt er, „ich will gerne eine heile Tür.“ Seiner Meinung nach wird mit zweierlei Maß gemessen. „Ich werde bedroht, nichts passiert. Aber eine Beschwerde über mich – und es gibt eine Kündigung.“
Aufgeben möchte er nicht. „Ich bin nicht der Einzige, der so was erlebt“, glaubt er. Er hat Kontakt aufgenommen mit dem „Bündnis Zwangsräumungen verhindern“. Die Aktivist*innen sehen im Vorgehen der Espabau Rassismus: „Bei allen Streitigkeiten hat man John als Schuldigen ausgemacht, statt ihn zu schützen“, so Rosemarie Fliess. Rassismus bei Vermietern sei nicht ungewöhnlich. „Mit ausländisch klingendem Namen bekommt man auch schwerer eine Wohnung.“
Vor einigen Monaten ist Jenkins psychisch erkrankt, arbeiten kann er aktuell nicht. Da er das Arbeitslosengeld I erst am Ende des Monats erhält, kommt seine Miete nun wirklich oft zu spät. Wie das Gericht dazu entscheidet, ist unklar. Bohn kündigt schon mal an: „Wir nehmen jede juristische Möglichkeit wahr, Herrn Jenkins aus dem Haus zu kriegen.“
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