Härtefall für Rot-Grün-Rot

Das Innenressort schiebt einen Algerier nach Slowenien ab, der gerade hier heiraten will. Das sei ein Bruch des Koalitionsvertrages, kritisiert Die Linke

Der Flüchtlingsrat fragt sich, ob der Koalitionsvertrag „wertlos“ ist. Die Linke auch

VonJan Zier

Der Algerier Seif Benmoussa wird umgehend nach Slowenien abgeschoben. Das jedenfalls war am Montag, noch zu Redaktionsschluss, die Entscheidung des Bremer Innensenators Ulrich Mäurer (SPD). Dienstagmorgen, ein Uhr, müsse sich Benmoussa am Eingang seines Wohnheims bereithalten, schrieben ihm die Behörden zuvor. Dabei widerspricht diese Abschiebung sowohl der Verfassung als auch dem Koalitionsvertrag, kritisiert der Flüchtlingsrat Bremen und der Fraktionschefin der Linkspartei, Sofia Leonidakis. Doch im Innenressort sieht man das anders. Damit ist die erste Koalitionskrise programmiert. „Wenn der Koalitionsvertrag das Papier nicht wert ist, auf dem er gedruckt ist, haben wir ein Problem“, sagte Leonidakis der taz.

Benmoussa kam Ende vergangenen Jahres über Slowenien nach Deutschland. Weil er hier einen Asylantrag gestellt hat, ist nach Ansicht der Bremer Ausländerbehörde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zuständig. Und dieses verlange nun die Abschiebung nach Slowenien, sagt der Anwalt Gabriel Gorietzka – Bremen handele „im Auftrag“ des Bamf. Das Bundesamt indes habe „nicht berücksichtigt“, dass Benmoussa schon bald einen Rechtsanspruch auf einen Aufenthalt in Deutschland haben werde, sagt der Flüchtlingsrat: Seine Eheschließung mit einer Bremerin ist schon beim Standesamt angemeldet.

Derzeit liegt das Verfahren, ein sogenannter Dublin-Fall, bei der Härtefall-Kommission. Das hat rechtlich keine aufschiebende Wirkung. Doch bis die Kommission entscheidet, ordnet das Innenressort in aller Regel an, dass „aufenthaltsbeendende Maßnahmen zurückzustellen sind“, wie die Behörde auf ihrer Website verkündet.

Bei Seif Benmoussa ist das anders. Dabei, so steht es im rot-grün-roten Koalitionsvertrag, soll diese Härtefallkommission ausdrücklich auch für „Dublin-Fälle“ zuständig sein. Und Rot-Grün-Rot rühmt sich ebenda, dass Bremen „seine humanitäre Aufenthalts- und Asylpolitik konsequent fortsetzen“ werde und die Ausländerbehörden dafür ihre bestehenden Möglichkeiten „ausschöpfen“ würden.

Doch die Härtefall-Kommission sei gar nicht zuständig, sagt die Sprecherin des Innenressorts nun – weil keine „neuen Gründe“ vorlägen, die im Asylverfahren bisher noch nicht vorgetragen wurden. Dies gelte auch für Dublin-Verfahren. Zudem habe das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der geplanten Abschiebung bestätigt, so das Innenressort.

Die RichterInnen lehnten am Freitag einen Eilantrag von Gorietzka ab. Weder die bevorstehende Eheschließung noch der laufende Antrag bei der Härtefall-Kommission stehe einer Abschiebung entgegen, so das Gericht. Und während der Flüchtlingsrat der Ansicht war, dass Benmoussas Beziehung schon vor der offiziellen Eheschließung den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie genießt, ist das Verwaltungsgericht da anderer Auffassung: Da Benmoussas Ehevoraussetzungen noch gerichtlich geprüft würden, sei die bevorstehende Heirat „noch nicht bestimmt“ genug. Und die Eingabe bei der Härtefall-Kommission habe keine rechtlichen Auswirkungen. Ob sie zulässig ist, dazu sagten die Richter nichts. Dafür erklärten sie, dass sie eine Abschiebung zur Nachtzeit „nicht unverhältnismäßig“ finden.

Leonidakis kritisierte die „Politik der harten Hand“ und forderte das Innenressort am Montag auf, „keine Fakten zu schaffen“, bis die Härtefall-Kommission entschieden habe. „Die Härtefallkommission wird lächerlich gemacht“, wenn ein Antragsteller aus dem laufenden Verfahren heraus abgeschoben werde, kritisiert der Flüchtlingsrat, der sich nun fragt, ob der Koalitionsvertrag und die Verfassung denn „wertlos“ seien.

Gorietzka nennt das Vorgehen des Innenressorts „absurd“ – er geht davon aus, dass Benmoussa trotzdem bald heiraten und dann in Bremen leben wird. Bis dahin aber verursache die Abschiebung „absoluten Stress“ und „immense Kosten“, die schwer zu vermitteln seien.