: Mehr Politik in Berlin
Das neue Schulfach soll ein jahrelanges Defizit beheben
Von Ralf Pauli
An diesem Montag hat in Berlin das neue Schuljahr begonnen. Für Tausende Sekundarschüler*innen zwischen der siebten und zehnten Klasse wohl auch mit einer faustdicken Überraschung: Auf dem Stundenplan steht plötzlich ein neues Fach: „Politische Bildung“ – inklusive Zeugnisnote am Schuljahresende. So hat es der rot-rot-grüne Berliner Senat vor anderthalb Jahren beschlossen. Mit dem Ziel, dadurch die Demokratieerziehung an seinen Schulen zu fördern. Mehr politische Inhalte und ein eigenes Fach Politik schon in der Mittelstufe haben sich die Berliner Schüler schon 2011 gewünscht. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hat ihnen nun den Wunsch erfüllt.
Allerdings sind nicht alle mit der Umsetzung glücklich: Die sogenannte Kontingentlösung sieht nämlich vor, das neue Fach zusammen mit Geschichte, Geografie und Ethik zu einem „Lernbereich Gesellschaftswissenschaften“ zusammenzufassen. Die Fachlehrerverbände Geschichte, Geografie, Ethik und Philosophie und der Philologenverband Berlin/Brandenburg haben kritisiert, dass die Stundenzahl dieses Bereichs trotz eines Faches mehr nicht erhöht worden sei. Welche Fächer nun Stunden an die Politische Bildung abgeben, sollen die Schulen selbst klären. „Man führt ein neues Fach ein mit einer Stunde, ohne diese Stunde zur Verfügung zu stellen“, kritisiert etwa der Schulleiter der Berliner Sekundarschule am Schillerpark, Ronald Fischer. Die Schulen müssten selber gucken, wo sie diese Stunde herbekämen. An seiner Schule habe das zu heftigen Diskussionen geführt. Letztlich geben nun ein Jahr die Ethik-, das nächste die Geschichtslehrer*innen je eine Stunde ab.
Mahir Gökbudak von der Universität Bielefeld kann die Kritik an der Umsetzung nachvollziehen. Dennoch bezeichnet der Wissenschaftler die Einführung des Fachs Politische Bildung als Schritt in die richtige Richtung: „Berlin hatte enormen Nachholbedarf beim Anteil des Politikunterrichts am Gesamtunterricht.“ Gökbudak ist Co-Autor der Studie „Ranking Politische Bildung“. Darin untersuchen Gökbudak und sein Kollege Reinhold Hedtke seit zwei Jahren, wie viel Politische Bildung laut Lehrplan in den verschiedenen Bundesländern unterrichtet wird. Im Ranking 2018 steht Berlin mit Bayern, Thüringen und Rheinland-Pfalz in der Schlussgruppe. Bei der nichtgymnasialen Schulform landet die Hauptstadt sogar an letzter Stelle.
„Mit der Stärkung der Politischen Bildung macht Berlin einen Riesensprung nach vorne“, prognostiziert Gökbudak. Das werde das Ranking 2019 zeigen. Vor allem geht Berlin gegen den Trend. In Baden-Württemberg und NRW wurden zuletzt nicht politische, sondern wirtschaftliche Themen gestärkt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen