Die Wahrheit: Epigönen und Zitrönen

Als der Autohersteller Citroën sich kürzlich einen Werbespaß erlaubte, rief er all die schlechten Scherzbolde von Twitter bis Facebook auf den Plan

Neulich habe ich getwittert. Allein das war schon der Fehler, aber sei’s drum. Der Autohersteller Citroën hatte sich zum 100-jährigen Jubiläum einen PR-Spaß erlaubt und behauptet, man würde die Marke jetzt in „Zitrön“ umbenennen. Weil die Deutschen Citroën bekanntlich so aussprechen. Eigentlich eine nette Aktion, die aus aufmerksamkeitsökonomischer Sicht bestimmt was gebracht hat.

Für mich aber, der ich mich der französischen Marke verbunden fühle, weil mein erstes Auto ein C2 war, avancierte das Ganze zum Desaster. Mein Tweet wies im Zuge des Zitröns darauf hin, dass der amerikanische Zahnpastaproduzent „Colgate“ sich tatsächlich irgendwann damit abgefunden hatte, dass die Deutschen ihn „Kollgahte“ aussprechen und folglich auch in der TV-Werbung diese Pronunziation verwendete. Zudem ergänzte ich: „Übrigens wirklich nur die Deutschen, in Österreich und der Schweiz ist man nicht ganz so deppert.“

Was dann geschah, war grausam. Es begann mit twittertypischer Ausländerfeindlichkeit und Whataboutismus: „Dann sollen Amis aber auch bitte Adidas und Porsche richtig aussprechen“, kommentierte ein User. 17 Likes. Ein weiterer befand: „Na und? In anderen Ländern interessiert es keine Sau, wie irgendwas im Original heißt. Nur wir Deutschen meinen immer, alles richtig machen zu müssen …“ 44 Likes. Ein Dritter: „Solange die Amis ‚wulkswagän‘ und ‚märsedis‘ sagen, sprechen ich Colgate so aus, wie es sich für mich richtig anhört.“ Leider nur zwei Likes.

Nun sind Patriotismus und Nationalismus nicht schön, aber etwas, dem man in sozialen Medien ständig begegnet. Das wissen Sie. Was Ihnen vielleicht neu ist: Es gibt im Internet auch Tausende Hobby-Gag-Schreiber und abgekochte Freizeitsatiriker, die es sich nicht nehmen lassen, flotte Sprüche unter den Tweets fremder Leute abzulassen. „Ich sach immer: Ziehdröhn, vorne zieht’s und hinten dröhnt es“, schrieb einer von ihnen. „Wenn ich die Scheiße kaufen soll, nenne ich die, wie ich will“, erklärte hingegen ein besonders Mutiger. Besonders lustig hingegen war dafür der Kommentar „Ich sage immer Zahnpasta“ auch nicht.

Den traurigen Höhepunkt erreichte das am Ende gut 200 Kommentare starke Fiasko, nachdem dieser Beitrag gepostet wurde: „Als es Hertie noch gab, gab es auch die Kosmopoliten unter den Feingeistern, die es ‚Ertjee‘ aussprachen.“ Darauf antwortete nämlich der Account @hertie_de, also, ohne dass ich das jetzt recherchiert hätte, vermutlich der Original-Account des Online-Kaufhauses: „Wir sind noch da!!!“ Da brach ich in Tränen aus.

Die Sache hatte aber auch ihr Gutes, denn ich habe meine Lektion gelernt: Gibt das Leben dir Zitrönen, mach auf gar keinen Fall einen Tweet daraus. Und falls Sie noch eine kesse Bemerkung loswerden wollen: Die Frage, ob es sich hierbei um mein persönliches Colgate-Gate handelte, wurde bereits 13-mal an mich herangetwittert.

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Cornelius W. M. Oettle kam in der kältesten Novembernacht des Jahres 1991 in Stuttgart zur Welt und weiß nicht, warum. Zur Überbrückung seiner Lebenszeit schreibt er als freier Autor für alle, die sich ihn leisten können. Seine Tweets aber sind und bleiben gratis.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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