Claudius Prößer schaut in ein gewaltiges Loch fürs neue Abwasser-Hauptpumpwerk Charlottenburg: Damit die Brühe nicht mehr in die Spree läuft
Nicht nur eingefleischte S-Bahn-Fans wissen, dass die Form der Ringlinie, die die Innenstadt umschließt, den Umrissen eines schlappohrigen Hundekopfs ähnelt – und deshalb auch so genannt wird. Genau da, wo der Labrador Retriever seine feuchte Nasenspitze hat, liegen die spärlichen Überreste des einstigen Charlottenburger Güterbahnhofs. Nach dessen kompletter Aufgabe Anfang der 1990er Jahre kam er noch einmal als Tatort einer fehlgeschlagenen „Dagobert“-Geldübergabe ins Gespräch, seitdem stehen hier Gewerbehallen und ein Getränke Hoffmann.
Dieser Tage herrscht in den sonst eher ruhigen Straßen drumherum Hochbetrieb: Ein Betonmischer nach dem anderen rumpelt heran, um seine Ladung auf einer ganz besonderen Baustelle loszuwerden: Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) buddeln seit einem guten Jahr ein gewaltiges Loch für das neue Abwasser-Hauptpumpwerk Charlottenburg – das zweitgrößte Berlins – und einen riesigen Zwischenspeicher für Mischwasser-Überschüsse gleich daneben.
Die entstehen, wenn sich nach heftigen Niederschlägen zu viel Regenwasser mit dem Abwasser mischt. Derzeit landet diese Brühe noch viel zu oft per Überlauf in der Spree, durch die 7.000 neuen Kubikmeter soll sich das künftig häufiger erübrigen. Der Stauraum ist Teil eines Programms der Senatsumweltverwaltung, durch das bis 2024 rund 300.000 Kubikmeter geschaffen werden sollen.
Weil das Grundwasser hier in Flussnähe fast auf Geländeoberkante steht, wird – wie seinerzeit am Potsdamer Platz – die Gebäudesohle mit Hilfe von Tauchern gegossen. 600 Kubikmeter Unterwasserbeton leiten sie mit langen Schläuchen an Ort und Stelle, wie Projektleiterin Marina Boldt erklärt. Der künstliche Stein muss dann zehn Tage abbinden, bis die Wassermassen abgepumpt und die Zuleitungsrohre mit 2,40 Metern Durchmesser gelegt werden können.
Schornstein zum Druckausgleich
Später kommt noch eine Menge Technik drüber und obenauf ein Gründach mit Schornstein. Aus dem es aber nicht raucht, wie BWB-Sprecher Stephan Natz erklärt: „Der dient zum Druckausgleich. Wenn gigantische Mischwassermengen ins Werk hineindrücken, würde sonst die Decke des Gebäudes hüpfen wie ein Gullydeckel.“
Bevor das neue Pumpwerk alleine arbeiten darf, wird es ab 2021 erst im Doppelbetrieb mit dem ausgedienten, weil fast 130 Jahren alten Werk auf der anderen Straßenseite laufen. „Das ist ein wichtiger Stresstest, der erst mal bestanden werden muss“, so Sprecher Natz, „weil da eine ganze Großstadt dranhängt.“ Womit nicht Berlin gemeint ist, sondern nur das Einzugsgebiet – die rund 110.000 BewohnerInnen.
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