Lesebühne IV im Wedding: Das Lachen ist frei

Dass sich am Mittwoch auf der Lesebühne IV über das Jobcenter lustig gemacht wird, passt nicht allen Anwesenden. Die meisten aber lachen mit.

Ein Mann geht an einem Schild der Bundesagentur für Arbeit vorbei

Nicht die Lieblingsinstitution der Leser auf der Lesebühne IV: Die Bundesagentur für Arbeit Foto: dpa

Es ist ein nicht eingeplanter Aufreger im Lokal La Luz im Wedding, als eine Frau zwischen zwei Lesern aufspringt. „Werdet wach“, ruft sie in den Raum. „Das sind ernste Probleme, über die ihr hier lacht. Da muss man nichts durch den Kakao ziehen.“ Niemand der anderen etwa 50 Anwesenden reagiert. Eigentlich fühlen sie sich ganz gut unterhalten von der Lesebühne IV, einer Veranstaltung mit Texten über Arbeitslosigkeit und leidige Jobcenter-Maßnahmen.

„Reinigt doch die Grünflächen für Kohle, macht halt“, fährt die Frau fort. Jetzt macht sich Ärger breit, ein kurzes Wortgefecht entsteht. Dann verlässt die Frau mit wehenden Haaren den Raum und ruft: „Ich hab mich zu Tode gelangweilt. Zu Tode!“

Damit ist sie aber definitiv keine repräsentative Stimme der etwa 50 Gäste, die am Mittwochabend zuhören, wie sich über das Jobcenter, über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und über Arbeitslosigkeit selbst amüsiert wird. Es liest beispielsweise Helmut Höge, der auch für die taz schreibt.

Oder Robert Rescue, einer der Weddinger Brauseboys. „Ich erzähle euch was von der Profilierung beim Jobcenter, auch Aktivierung oder Motivation genannt. Meistens ist man da nach zwei Wochen sehr demotiviert“, beginnt er seinen Part, und das Publikum lacht. Nach ihm betritt Ahne die Bühne, erzählt von angemeldeten Demos, die nicht so richtig funktionierten. „Selbst die Polizei hat uns teilweise mit Verbesserungsvorschlägen unterstützt.“

Initiative „In Mitte für Mitte“

Die Lesebühne IV wird organisiert von der Initiative „In Mitte für Mitte“. Deren Gründer Bertram Beer möchte Arbeitslose im Bezirk erreichen, sie wieder in Arbeit bringen. Dafür richtet er sich auch an Unternehmen. Beer besucht Kongresse, Treffs und Zusammenkünfte von und für UnternehmerInnen und stellt sich und seine Ini­tiative vor – uneingeladen und auf Eigen­initiative. Er erklärt: „Wir haben in Mitte eine besonders hohe Zahl an offenen Stellen, aber auch eine besonders hohe Zahl an Arbeitslosen.“ Beer will ArbeitgeberInnen und Arbeitssuchende miteinander verknüpfen.

Dafür muss er die Arbeitslosen im Viertel auch erreichen, zum Beispiel eben mit Kulturarbeit – und mit Humor. „In Mitte für Mitte“ bietet Arbeitslosen konkrete Hilfe an – kostenlos, freiwillig und unabhängig vom Jobcenter. Für Beer ist dieser Dreiklang ursächlich dafür, dass sich Menschen von seiner Initiative angesprochen fühlen.

Um das Jobcenter machen viele nämlich lieber einen großen Bogen. Sich den Maßnahmen der Institution humorvoll zu widmen ist deshalb kein Grund für große Auf­regung. Ein Aufreger sind eher die Bierpreise im La Luz – verlangte 4,50 Euro auf einer Veranstaltung, die auch Arbeitslose ansprechen soll, sind fast schon unfreiwillig komisch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.