: Ölförderung mit rostigen Rohren
Im Kreis Grafschaft Emsland sind beim Ölbohren rund 200 Millionen Liter giftiges Wasser ausgelaufen
Von Reimar Paul
„Wintershall Dea übernimmt Verantwortung“, steht auf der Homepage des größten deutschen Erdöl- und Erdgasproduzenten. „Für Mitarbeiter, Umwelt und Gesellschaft.“ Verantwortung müsste der Konzern jetzt in Emlichheim im niedersächsischen Kreis Grafschaft Bentheim übernehmen.
Dort fördert Wintershall Dea Erdöl. Durch das Bohrloch Em 132 sind aus einem korrodierten Rohr in den vergangenen vier Jahren Jahr zwischen 140.000 und 220.000 Kubikmeter giftiges Wasser ins Erdreich gelaufen, wie das Wirtschaftsministerium in Hannover am Montag mitteilte.
Das sogenannte Lagerstättenwasser enthält offiziellen Angaben zufolge gelöste Salze, Reste von Kohlenwasserstoffen und geringe Mengen Schwermetall. Die kontaminierte Flüssigkeit hat das Grundwasser erreicht. Trinkwasser wird an dieser Stelle angeblich aber nicht entnommen.
Nach Einschätzung des Landkreises ist wahrscheinlich auch aus der Bohrung Em 51 giftiges Wasser ausgetreten. Darüber gebe es noch keine verlässlichen Zahlen. Sicher sei aber, dass auch dieses Rohr durch Korrosion beschädigt sei. Wintershall Dea geht nicht davon aus, dass aus dem zweiten Bohrloch giftiges Lagerstättenwasser ausgetreten ist.
Die Bohrung Em 132 ist seit dem 18. Oktober außer Betrieb. Im Januar meldete Wintershall Dea einen Verdacht auf Korrosionsschäden am Außenbohrrohr, durch das bei der Ölförderung automatisch an die Oberfläche gefördertes Lagerstättenwasser in die rund 900 Meter tiefe Öllagerstätte zurück gepumpt wird. Im März wurde der Verdacht bestätigt.
Der Landkreis und die Samtgemeinde Emlichheim wurden am Montag über den Entwurf eines Gefahrgutachtens informiert: „Eine akute Gefahr für die Menschen in der Region liegt nach den uns bislang vorliegenden Informationen nicht vor“, hieß es dazu beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Auf seiner Internetseite hat das Amt inzwischen Fragen und Antworten zu dem Vorfall bereitgestellt.
Die parteilose Samtbürgermeisterin von Emlichheim, Daniela Kösters, zeigt sich einerseits erleichtert über das vorläufige Fazit. Andererseits sei sie „schockiert“ über das Ausmaß der Verunreinigung. Gleichzeitig fordert Kösters von Wintershall Dea eine Antwort auf die Frage, warum das Problem erst nach vier Jahren entdeckt wurde. Die Bürgermeisterin will auch wissen, ob und wie das kontaminierte Wasser wieder aus dem Boden herausgeholt werden kann.
Aus Sicht von Axel Ebeler vom Landesvorstand des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland zeigt das so lange unbemerkte Leck, „dass Erdölbohrungen und unterirdische Leitungen für Lagerstättenwasser und Bohrschlämme tickende Zeitbomben sind“. Aufgrund der langen Fließzeiten im Grundwasser wirkten Verunreinigungen dieser Art über Generationen hinaus. Eine Sanierung sei schwierig: „Sind die Gifte bereits in die tiefen Grundwasserschichten vorgedrungen, wird sie gar unmöglich“, sagt Ebeler.
Wintershall Dea hat nach eigenen Angaben mit einer Tiefbohrung begonnen, um den Boden, die Sedimente und das Wasser in der Tiefe genauer zu erkunden. Dies werde etwa sechs Wochen dauern. Dann könne der Schaden genauer eingeschätzt werden.
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