Aussage von Sonderermittler: Mueller spricht, Trump triumphiert

Der Sonderermittler in der Russlandaffäre hat vor dem US-Kongress ausgesagt. Eine Amtsenthebung Trumps ist nicht wahrscheinlicher geworden.

Robert Mueller an einem Tisch hinter seinem Namensschild

Robert Mueller hat ausgesagt, ohne viel zu sagen Foto: ap

NEW YORK taz | Der große Fernsehmoment – auf den die DemokratInnen gehofft, und vor dem die RepublikanerInnen gezittert haben – ist ausgeblieben. Ex-Sonderermittler Robert Mueller sitzt am Mittwoch sieben Stunden lang vor zwei verschiedenen Ausschüssen des US-Repräsentantenhauses. Die privaten TV-Sender übertragen live.

Aber statt Details zu liefern, um seine Ermittlungen über russische Einmischungen im US-Wahlkampf und über mögliche Straftaten von Donald Trump mit Leben zu füllen, bleibt der 74-jährige knochentrocken, wortkarg und steif. Wenn überhaupt, beantwortet er die Fragen der Abgeordneten mit: „Ja“, mit: „Korrekt“ und mit: „Ich stehe zu dem Bericht“.

Nur in seltenen Momenten sagt Mueller ganze Sätze, und gibt Einblicke in sein Denken. So, als er sein Team von AnwältInnen verteidigt, mit denen er 22 Monate gearbeitet hat. Und als er den Einfluss von zwei ausländischen Akteuren auf die inneren Angelegenheiten der USA beklagt: Er beschreibt die Aktivitäten von „Wikileaks“ als „illegal, um es gelinde zu sagen.“

Und er nennt Russland „eine der größten Herausforderungen“ seiner Lebzeiten. Mueller warnt, dass Russland die politische Einmischung fortsetze: „Während wir hier sitzen“. Und dass die Akzeptanz durch Trump dazu geführt habe, dass ausländische Einmischungen – auch von anderen Mächten – zu einer neuen Normalität würden.

Druck auf die Ermittlungen

Über die Hauptperson liefert Mueller nichts, das nicht schon in seinem Bericht zu lesen war. Er bestätigt das düstere Bild des US-Präsidenten, beschreibt dessen „Gier“ nach persönlicher Bereicherung (mit dem bis kurz vor den Wahlen verfolgten Vorhaben, ein Hotel in Moskau zu bauen), nennt dessen Annahme von Wahlkampfhilfe von einer „feindlich gesonnenen“ Macht „unpatriotisch“ und „falsch“ und spricht von Unwahrheiten und Auslassungen in dessen schriftlicher Aussage sowie von dessen zahlreichen Versuchen, ZeugInnen zu beeinflussen und Druck auf die Ermittlungen auszuüben.

Mueller gibt zu, dass alle anderen BürgerInnen, die eine solche „Beeinflussung der Justiz“ versuchen, Jahre im Gefängnis riskieren. Aber er erklärt, es sei nicht möglich gewesen, den Präsidenten anzuklagen. Begründung: Die geltende Rechtsinterpretation des Justizministeriums lasse das nicht zu. Trump könne erst nach dem Ende seiner Amtszeit angeklagt werden, so Mueller. Die Antwort auf die Frage, ob Justizbehinderung nach einer zweiten Amtszeit von Trump verjährt wäre, bleibt Mueller schuldig.

„Es war ein sehr großer Tag für unser Land, für die republikanische Partei und für mich“, triumphiert Trump am Nachmittag, als die Hearings vom Justizausschuss und Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses vorbei sind. Als Trump 2017 erfuhr, dass Mueller auch gegen ihn ermittelte, lautete die erste Reaktion des Präsidenten: „Ich bin fucked“. Seither hat Trump die Mueller-Ermittlungen vielfach als „Hexenjagd“, als „Hoax“ und als „illegalen und verräterischen Angriff auf unser Land“ bezeichnet. Vergeblich forderte er in mehrfachen Anläufen auch Mitarbeiter aus dem Weißen Haus und dem Justizministerium auf, Mueller zu „feuern“.

Popularität auf Rekordhöhe gestiegen

Aber am Mittwoch lobt Trump die republikanischen Abgeordneten in den beiden Ausschüssen als „unglaubliche Krieger“ und nannte Muellers Auftritt „horrible“. Anschließend fliegt der Präsident zu einem Treffen mit GeldgeberInnen für seinen Wahlkampf in dem Kohlestaat West Virginia, wo er 2016 mit fast 70 Prozent der Stimmen gewählt wurde. Seit seinen jüngsten rassistischen Attacken ist Trumps Popularität auf Rekordhöhe gestiegen und er hofft, in 2020 ein noch besseres Ergebnis einzuholen.

Die DemokratInnen im US-Kongress haben in den zurückliegenden zwei Jahren einen großen Teil ihrer politischen Hoffnungen in die Russlandermittlungen und in die Person von Sonderermittler Mueller gesetzt. Der frühere FBI-Chef – der auch die Ermittlungen nach den Anschlägen vom September 2001 führte – und das langjährige Mitglied der Republikanischen Partei ist ein ungewöhnlicher Hoffnungsträger für DemokratInnen.

Seit er im März seinen 448 Seiten langen Bericht bei Justizminister William Barr vorlegte, den Barr mehrere Wochen später in einer zensierten Fassung an die Öffentlichkeit und den Kongress weiter reichte, bestanden die DemokratInnen im Repräsentantenhaus darauf, den Ex-Sonderermittler persönlich zu hören. Sie hoffen, dass Mueller ihnen Argumente und Instrumente für ihre nächsten Schritte gegen Trump liefern würde. Unter anderem erwägen sie ein Amtsenthebungsverfahren – ein Impeachment von Trump.

„Danke für Ihren Dienst“, leiten Demokratische Abgeordnete ihre Fragen an Mueller ein. Sie verweisen auf seine Zeit im Marine-Corps, seinen Einsatz im Vietnamkrieg, und später als Staatsanwalt in den Diensten von Ronald Reagan und den Bushs – Vater und Sohn und sie preisen die „Verantwortung, Integrität und Rechenschaftspflicht“, die seine Karriere begleitet hätten.

Abwesend und manchmal verwirrt

Doch am Mittwoch müssen sie Mueller jedes Wort einzeln aus dem Mund ziehen. Er ist nicht einmal bereit, Textstellen aus seinem eigenen Bericht vorzulesen. Stattdessen lässt er die Abgeordneten Textpassagen aus Band eins und zwei seiner Untersuchungen zitieren. Beim Zuhören wirkt der verhinderte Retter der DemokratInnen oft abwesend und manchmal verwirrt. Mehrfach verlangt er, dass einfache Fragen wiederholt würden, bevor er mit einer alt klingenden Stimme antwortet: „Stimmt“.

Dem Vorsitzenden des Justizausschuss, Jerry Nadler, gelingt es, Mueller mit der Frage: „Haben Sie den Präsidenten völlig entlastet?“ zu der Antwort zu bringen: „Der Präsident wurde nicht für Taten entschuldigt, die er begangen haben soll.“ Und der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Adam Schiff, der Trumps Annahme von russischen Informationen als „illoyal“ und „unamerikanisch“ bezeichnet und hinzufügt: „.. und eine unethische Sache“ bekommt von Mueller die unerwartete Reaktion: „Und eine Straftat unter gewissen Umständen“.

Die RepublikanerInnen in den beiden Ausschüssen gehen entgegengesetzt vor. Sie loben und danken Mueller nicht, sondern versuchen, ihn zu diskreditieren. Ihnen geht es darum, die Lücken in seinen Ermittlungen zu zeigen. Sie beklagen, dass MitarbeiterInnen von Mueller den Präsidenten „hassen“, dass mehrere seiner AnwältInnen SympathisantInnen von Ex-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton seien, dass er fragwürdige InformantInnen berücksichtigt habe, wie den Malteser Joseph Mifsud, der nicht nur für russische, sondern auch westliche Dienste arbeite und das FBI belogen habe, und dass seine Ermittlungen 30 Millionen Dollar Steuergelder gekostet hätten.

Und während die DemokratInnen sagen: „vor dem Gesetz ist jeder gleich“, bestehen die RepublikanerInnen darauf, dass auch für den Präsidenten eine Unschuldsvermutung gelte. Aber niemand in den beiden Ausschüssen – weder DemokratInnen noch RepublikanerInnen – fragt Mueller , warum er den Wikileaks-Gründer Julian Assange nicht als Zeugen gehört hat.

Wikileaks spielte sowohl in Muellers Bericht als auch bei den Ausschusssitzungen am Mittwoch eine zentrale Rolle. Die Gruppe hat die gestohlenen Emails veröffentlicht und hat das zu Momenten getan, in denen sie jeweils von Problemen des Kandidaten ablenkten – unter anderem direkt nach Bekanntwerden des Videos, in dem Trump mit seinem Pussy-Grabschen prahlte. „Ich liebe Wikileaks“, schwärmte Trump damals. Assange bestreitet, dass Wikileaks die gestohlenen Emails von Russland erhielt. Und möglicherweise hätte er Mueller weiterhelfen können.

Mit den Worten: „Willkommen zu den letzten Atemzügen der Verschwörungstheorie“, begrüßt der Republikaner Devin Nunes am Mittwoch Mueller in dem Hearing des Geheimdienstausschuss. Und der Republikaner Mike Johnson aus Louisiana sagt, er sei erleichtert, dass sein Land sich nun endlich auf das Thema konzentrieren könne, das er für wichtig hält: die angebliche Krise an der Südgrenze.

Zahlreiche DemokratInnen sehen das anders. Sie fühlen sich durch das Mueller-Hearing ermuntert, trotz allem weiter zu ermitteln. Noch am Mittwoch Abend diskutieren sie über ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump, das im Repräsentantenhaus beginnen würde. Aber ihre Partei ist gespalten. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi hält ein Impeachment knapp eineinhalb Jahre vor den Wahlen für unpopulär. Der Vorsitzende des Justizausschuss, Nadler, will es beschleunigen. Val Demings, eine ehemalige Polizei-Kommissarin aus Florida, die als Abgeordnete in beiden Ausschüssen sitzt, die Mueller am Mittwoch gehört haben, glaubt, dass das Repräsentantenhaus die Pflicht habe, die Ermittlungen voranzutreiben: „Die Amerikaner wollen wissen, was 2016 bei den Wahlen passiert ist“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.