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Rechtsradikaler berichtet über eigene Demo

Nach einer rechten Kundgebung legt die Polizeidirektion Göttingen nun neue Leitlinien für den Umgang mit Journalisten fest

„Die Polizei hat sich in diesem Fall für das hohe Gut der Pressefreiheit entschieden“

Julia Huhnold, Sprecherin der Polizei Göttingen

Von Andreas Speit

Die Polizeidirektion (PD) in Göttingen will ihren Umgang mit Journalisten neu regeln. Leitlinien sollen festgelegt werden, wonach künftig nur jenen Medienvertretern privilegierte Rechte eingeräumt werden, die ihre journalistische Tätigkeit plausibel nachweisen können.

Der Grund für diesen Plan ist ein Vorfall von Ende Juni im niedersächsischen Northeim. Dort trat der vorbestrafte Rechtsextremist Jens Wilke bei einer Kundgebung, die er mitorganisiert hatte, erst als Redner und später als Berichterstatter auf. Er verschaffte sich mit einer „International Press Card“ Zugang zu einem abgesperrten Bereich, um von dort als Vertreter der Presse mit einem Smartphone Gegendemonstranten zu filmen. „Im Nachhinein betrachtet, hätte Herr Wilke den abgesperrten Bereich besser nicht betreten sollen“, räumt der Göttinger Polizeipräsident Uwe Lührig am Donnerstag ein.

Der 42-jährige Wilke wirkte früher beim rechtsextremen „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ führend mit und wurde bereits wegen Nötigung und Bedrohung verurteilt. Zwei weitere Verfahren wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung sind anhängig. Im Februar durchsuchte die Polizei zum wiederholten Mal sein Haus in der Gemeinde Friedland. Wilke, zuletzt Kandidat der rechten Republikaner für die Europawahl 2019, steht im Verdacht, mit weiteren Beschuldigten eine kriminelle Vereinigung zu bilden.

„Herr Wilke teilte bei der Kundgebung unter Benennung des ‚Medien-Blogs‘ mit, als Medienvertreter tätig zu sein und zeigte den eingesetzten Beamten eine ‚International Press Card‘ vor“, schildert Julia Huhnold, Pressesprecherin der Polizei Göttingen. Den Beamten seien sowohl Wilke als auch der Blog bekannt gewesen, sagt sie. „Die Polizei hat sich in diesem Fall für das hohe Gut der Pressefreiheit entschieden und ist von einer journalistischen Tätigkeit ausgegangen.“ Den Beamten sei kein Vorwurf zu machen.

Dass der Redner einer Versammlung gleichzeitig die Rechte eines Pressevertreters beanspruchte, sei zuvor noch nicht vorgekommen. „Zu so einer Doppelfunktion gibt es keine klaren gesetzlichen Regelungen“, sagt Lührig. Diese Lücke sollen nun die neuen Leitlinien schließen. Eine genaue Betrachtung des Presseausweises dürfte zu den neuen Kritikerin gehören. Lührig betont, dass „eine journalistische Tätigkeit plausibel“ unter anderem „zweifelsfrei durch den bundeseinheitlichen Presseausweis“ belegt werden müsse. Dieser Ausweis wird von sechs journalistischen Berufsorganisationen ausgegeben.

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