Nur 87 von 1.200 Ärzt*innen gelistet

Die Bundesärztekammer hat eine sehr lückenhafte Übersicht darüber erstellt, wer Abtreibungen durchführt. Die Ärztin Kristina Hänel will nicht auf der Liste stehen

Prozess gegen die Gynäkologinnen Verena Weyer (l.) und Bettina Gaber (r.) im Juni in Berlin: Auch nach der Reform des §219a werden noch Ärztinnen verurteilt Foto: Foto:Christian Ditsch

Von Dinah Riese

An welche Ärztin kann sich wenden, wer ungewollt schwanger ist? Diese Frage versucht die Bundesärztekammer (BÄK) auf ihrer Webseite zu beantworten. Seit Montag steht dort eine entsprechende Liste. Doch diese ist mehr als dürftig. Bisher stehen dort gerade mal 87 der rund 1.200 Ärzt*innen, die bundesweit Abtreibungen vornehmen. Und: 95 Prozent davon kommen aus Berlin und Hamburg.

Die Liste ist Teil des Kompromisses, den SPD und Union nach langem Ringen um den Abtreibungsparagrafen 219a Strafgesetzbuch gefunden haben. Der Paragraf hatte als „Werbung“ verboten, wenn Mediziner*innen öffentlich darüber informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen. Im Februar beschloss der Bundestag dann eine Reform: Nun dürfen Ärzt*innen informieren, dass sie Abbrüche durchführen. Für alles Weitere müssen sie auf andere Stellen verweisen.

Im Frühjahr hatte die Bundesregierung die BÄK daher beauftragt, erstmals eine bundesweite Übersicht von Kolleg*innen zu erstellen, die den Eingriff vornehmen. „Diese Liste hilft Frauen in Notlagen bei der Suche nach ärztlicher Hilfe in ihrer Nähe“, so BÄK-Präsident Klaus Reinhardt per Pressemitteilung. Doch bisher umfasst diese Übersicht nicht einmal zehn Prozent aller infrage kommenden Ärzt*innen. Und: bis auf fünf praktizieren sie alle in Berlin und Hamburg.

In beiden Städten gibt es auf den Webseiten der Behörden schon länger Listen mit den jeweiligen Adressen in der Stadt. Diese Ärzt*innen habe man schriftlich angefragt, erklärt ein Sprecher der BÄK. Aus Nordrhein-Westfalen hingegen stehen gerade mal drei Ärzt*innen auf der Liste, aus Hessen zwei Ärzte. Diese seien von sich aus auf die BÄK zugegangen.

Sie sei nicht gefragt worden, sagt die Ärztin Kristina Hänel der taz. Aber selbst wenn: „Ich will nicht auf die Liste.“ Hänel hatte den Regierungskompromiss seinerzeit heftig kritisiert.

Die Gießener Ärztin, die Abtreibungen in ihrer Praxis durchführt und darüber auch auf ihrer Webseite informiert, hatte 2017 die Debatte über den Paragrafen 219a angestoßen Damals war sie wegen des Eintrags auf ihrer Webseite zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden. Sie will notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, um den Paragrafen zu kippen. Aus ihrer Sicht gibt es vor allem deswegen ein Informationsdefizit, weil viele Ärzt*innen aus Angst vor Strafverfolgung nicht über ihr Tun informieren.

„Auf der Liste der Bundesärztekammer fehlen viele Informationen, die die Frauen benötigen“, sagt Hänel. Sie enthält die Kontaktdaten der Ärzt*innen sowie Informationen über in der Praxis gesprochene Fremdsprachen und die Angabe, ob medikamentöse oder operative Abbrüche angeboten werden. „Dort steht aber nicht, bis zu welcher Woche Abbrüche gemacht werden“, kritisiert Hänel. „Viele machen das ja nur bis zur 8. Woche nach der Empfängnis.“

Auch die Kasseler Gynäkologin Nora Szász sagt der taz, sie wolle nicht auf die Liste. Szász und ihre Kollegin standen ebenfalls vor Gericht, weil Abtreibungsgegner sie wegen ihrer Webseite angezeigt hatten. Das Urteil wurde wegen der neuen Rechtslage aufgehoben.

„Auf dieser Liste fehlen viele wichtige Informationen“

Kristina Hänel, Ärztin

„Wer Abtreibungen macht, steht ohnehin im Fokus von sogenannten Lebensschützern und Rechtsradikalen“, sagte Szász. „Gerade jetzt, wo Neonazis Namen sammeln, kann ich jeden verstehen, der sich nicht auf eine solche Liste setzen lassen will.“ Viel wichtiger sei es, dezentrale Information zu ermöglichen. „Ungewollt Schwangere gehen erst mal auf die Webseiten der Ärzte in ihrer Umgebung“, sagt Szász. Die Seite der Bundesärztekammer sei nur eine weitere Hürde.

Tatsächlich ist die Liste dort nicht so einfach zu finden. Nach mehreren Untermenüs findet sich dort ein PDF ohne weitere Filtermöglichkeiten. Auf der Seite familienplanung.de der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung ist die Liste ebenfalls nach mehreren Klicks zu finden, dort immerhin nach Postleitzahlen gebündelt.

„Stümperhaft“ nennt Gabriele Halder die bundesweite Liste. Die Gynäkologin ist eine der 56 Berliner Ärzt*innen, die der Veröffentlichung ihres Namens zugestimmt haben. Bei manchen fehle sogar die Angabe der Methode. „Da wurde ein Minimalkonsens lieblos umgesetzt.“

Die Liste soll monatlich aktualisiert werden. Wie viele Namen noch dazukommen, ist fraglich; die Bundesärztekammer plant nicht, Ärzt*innen gezielt anzufragen. Diese würden „unter anderem durch das Deutsche Ärzteblatt über die Existenz der Liste informiert werden und könnten die Aufnahme beantragen, so ein BÄK-Sprecher auf Nachfrage.