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Die unverboten gut aussehen

Bei der Tour de France gewinnt ein Nahrungsergänzungsmittel große Aufmerksamkeit. Die Erfolge des Teams Jumbo Visma sollen damit zu tun haben. Aber auch Dopingsubstanzen sind im Gespräch

Aus Pau Tom Mustroph

Ein neues Wundermittel geht um im Straßenradsport. Die Erfolgsserie des Jumbo-Visma-Rennstalls bei der Tour de France – Gelbes Trikot zum Auftakt, vier Etappensiege, darunter der im Teamzeitfahren – wird mit dem Nahrungsergänzungsmittel Ketone in Verbindung gebracht. „Ketone sind ein Treibstoff für den Körper. Sie liefern Energie, ähnlich wie Glukose“, erklärt Jon Greenwall, Teamarzt des Rennstalls Education First, dertaz bei der Tour. „Es gab zuletzt ein paar Studien, die besagen, dass es vor allem in der Erholung Vorteile bringen kann“, fährt Greenwall fort. Direkte Leistungssteigerungen schließt er aber aus. „Das gibt die Literatur nicht her. Die Mittel sind ja auch nicht verboten“, meint er.

Das stimmt. Ob seine Fahrer sie nehmen, will er aber nicht verraten. „Das ist allein eine Sache zwischen Arzt und Pa­tient“, sagt er. „Ich kann aber sagen, dass ich generell einen Gebrauch nicht empfehle, weil die Effekte und die Nebenwirkungen unklar sind.“

Beim Rennstall Jumbo-Visma ist man experimentierfreudiger. „Ketone sind bei mehreren Teams hier im Einsatz, bei uns auch. Es handelt sich um ein Nahrungsergänzungsmittel. Und es steht nicht auf der Verbotsliste“, sagte Teamchef Richard Plugge bei der Tour.

Sicher, verboten ist das Zeug nicht. Aber auch nicht richtig sexy. „Es ist ziemlich teuer, und es schmeckt scheußlich, selbst wenn der Geschmack zuletzt besser geworden ist“, meinte kürzlich Lance Armstrong. Der frühere Oberdoper des Pelotons ist überzeugt, dass viele Teams es benutzen. In einem Podcast mit seinem alten Kumpel George Hincapié – auch er des Dopings überführt – plauderte er munter darüber, dass auch die tolle Performance von Gelb-Träger Julian Alaphilippe durch Ketone befördert wurde.

Beweise dafür lieferte er nicht. Weil der Drink von einem Team an der Universität Oxford entwickelt wurde – eine Auftragsarbeit übrigens für die US Army – spekulierte Armstrong auch darüber, dass wegen der kurzen Wege von Oxford nach Manchester Team Sky, der Vorgängerrennstall von Ineos, Pioniernutzer der Substanz gewesen sei. Ineos äußerte sich bisher nicht dazu.

Verboten ist es ja nicht, und auf die Philosophie der Marginal Gains passt dieses Nahrungsergänzungsmittel perfekt. Die grandiosen Erfolge des Tony-Martin-Teams Jumbo-Visma auf diese Ketone zurückzuführen scheint aber bei genauerer Betrachtung wenig überzeugend. „Die Studien besagen, dass die Erholungseffekte erst nach ­längeren Zeiträumen auftreten. In einem 10-Tage-Fenster gab es da deutliche Verbesserungen“, sagte EF-Teamarzt Greenwall. Jumbo-Visma hätte also nicht unbedingt die ersten Etappen der Tour gewinnen müssen, vielmehr müssten seine Fahrer eigentlich aktuell ganz vorne zu sehen sein.

„Es ist ziemlich teuer und schmeckt scheußlich. Zuletzt ist der Geschmack besser geworden“

Lance Armstrong, Ex-Profi und Kenner, über Ketone

Die Ketone-Story zeigt immerhin, dass Rennställe die medizinische Fachliteratur weiterhin sehr aufmerksam studieren. In diesem Lichte ist es alarmierend, dass Anfang Juni, einen Monat vor der Tour de France, die Wada offenbar von einem Insider gewarnt wurde, dass ­Aicar im Peloton im Umlauf sei. ­Aicar fördert das Muskelwachstum immens. Mit dem Präparat gefütterte Mäuse hatten nicht nur stärkere Muskeln, sie rannten und schwammen auch schneller und ausdauernder.

Seit 2011 steht das Mittel auf der Dopingliste. 2012 wurde der kolumbianischspanische Arzt Alberto Beltran Nino mit Aicar im Gepäck erwischt. Er arbeitete als Teamarzt für diverse Profiteams im Straßenradsport. Posi­tive Tests gab es bislang nicht. Die Hinweise des Insiders führten jetzt dazu, dass die Wada Labore anwies, verstärkt auf ­Aicar zu testen. Nicht klar ist, wie intensiv in der Vergangenheit überhaupt auf Aicar getestet wurde. Aufschluss darüber, in welchem Maße diese verbotene Substanz konsumiert wurde, werden wohl erst Nachtests in einigen Jahren geben können, wenn die Antidopingfront effektive Verfahren entwickelt hat.

Auf die Zukunft muss man leider auch in Sachen Epo-­Mi­kro­dosen hoffen. Nach der Operation Aderlass Anfang dieses Jahres, als einige Winter- und Radsportler als Blutdoper aufflogen, trat deutlich zutage, wie leicht der Blutpass zu umgehen ist. Das Dopingkontrolllabor in Châtenay-Malabry hat zwar einen Test entwickelt, der geringe Epo-Spuren auch noch nach 48 Stunden nachweist, doch aktuell umfasst das Nachweisfenster nur 24 Stunden, der neue Test ist für diese Tour de France noch nicht zugelassen. Epo-Doper können nach Ablauf eines Tages sicher sein, nicht mehr erwischt werden zu können. Die Effekte halten aber länger an. Und der Evergreen Epo wirkt deutlich leistungssteigernder als Ketone.

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