piwik no script img

Eva Oer über die neue Kommissionschefin von der LeyenGrüner wird’s nicht

Es lebe Europa, vive l’Europe, long live Europe“, hatte Ursula von der Leyen ihre Rede im Europaparlament geschlossen. Aber kann man die EU nach der Wahl zur Kommissionschefin überhaupt noch hochleben lassen – nun, da eine Kandidatin im Brüsseler Spitzenamt steht, die sich vorher nicht einmal zur Wahl gestellt hat? Deren Mehrheit offenbar nur zustande kam, weil wohl auch EU-kritische Abgeordnete wie jene der polnischen Regierungspartei PiS für sie votierten?

Ursula von der Leyen ist sicherlich nicht die Kandidatin, die sich viele EuropäerInnen gewünscht hätten. Aber ihre Wahl ist keineswegs das vielbesungene Ende der europäischen Demokratie – sie ist eben der Kompromiss eines gespaltenen Europäischen Rates, die Konsenskandidatin nach langen Verhandlungen demokratisch gewählter Staats- und Regierungschefs. Diese Gespaltenheit drückt sich auch in ihrem Wahlergebnis aus.

Die Kritik vor allem grüner Europaabgeordneter an den „schlechten Stimmen“ von rechts ist indes fragwürdig: Natürlich ist eine proeuropäische Mehrheit dringend notwendig. Aber das Parlament hat ja selbst keine Kandidatin benennen können, die eine solche bekommen hätte. Von der Leyen hat sicherlich aus grüner Sicht kein perfektes Programm vorgelegt – aber sie ist den proeuropäischen Zweiflern an ihrer Nominierung entgegengekommen, hat wahrlich keine Zugeständnisse an die Rechte gemacht. So grün, so sozial und weiblich sind Konservative sonst selten zu bekommen.

In ihrer Rede am Dienstag hat von der Leyen jedenfalls relativ klare Worte etwa zur Geschlechtergerechtigkeit und zur Rechtsstaatlichkeit gefunden. Da sah es so aus, als dürften sich illiberale Kräfte in Ungarn, Polen und Tschechien womöglich bald noch wundern.

Jetzt allerdings muss sich die neue Kommissionschefin erst einmal beweisen und sie muss zeigen, welches Gewicht sie wirklich bei den Regierungschefs hat. Und ob sie die Rechtsstaatlichkeit und die von ihr viel beschworene Einheit im Amt tatsächlich mit so viel Nachdruck verteidigen wird, wie sie es versprochen hat.

das thema

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen