Das kommt auch
: Späte Aufklärung

Wie der Verkäufer an die Bilder gekommen war, wollte man damals nicht wissen

Ein Max Liebermann kostete 15.000 ­D-Mark, Aquarelle von Emil Nolde gab es schon ab 300, Ernst Barlachs „Lesender Mann“ war für 4.000 Mark zu bekommen, die kleine „Sitzende Frau“ von Paula Modersohn-Becker für 300. Vor fast genau 70 Jahren, am 20. Juli 1949, kauften das damalige Landesmuseum Hannover und die Stadt selbst 114 Werke moderner Kunst von dem Berliner Bauunternehmer und Kunsthändler Conrad Doebbeke. Ein Jahr später wurden sie der Öffentlichkeit vorgestellt, seit 1979 gehören sie zum Bestand des Sprengel-Museums, das sich kommende Woche mit der Herkunft dieser Exponate befasst: mit der Ausstellung „Verfemt – gehandelt. Die Sammlung Doebbeke im Zwielicht“.

Wie Doebbeke selbst in den Besitz der Bilder gekommen war, das wollte man damals nicht so genau wissen – die Ausstellungsräume für Moderne Kunst waren leer seit Beschlagnahme durch das NS-Regime. Schon ein kurzer Blick auf Doebbekes Biografie hätte aber aufhorchen lassen müssen: NSDAP-Mitglied war der bereits 1931. Als sich 1944 abzeichnete, dass das „3. Reich“ den Krieg verlieren würde, deponierte er 300 Stücke, erst in verschiedenen Banken, dann in mehrere Museen, darunter die Bremer Kunsthalle.

1949 begann er seine Sammlung dann zu Geld zu machen. Verhandlungspartner in Hannover war Ferdinand Stuttmann – selbst ab 1933 NSDAP-Mitglied und fürs Regime als Gutachter beschlagnahmter Kunst tätig. 1938 war er als Direktor des Kestner-Museums eingesetzt worden; dessen Leiter bis dahin, Carl Küthmann, war mit einer Jüdin verheiratet.

Gut 20 Jahre ist es her, dass die Washingtoner Erklärung in Kraft trat, das die staatlichen Museen in Deutschland verpflichtet, ihre Depots und Ausstellungen auf Raubkunst hin zu untersuchen und diese gegebenenfalls zurückzugeben. Recht gemächlich nur wurden entsprechende Forschungsprojekte initiiert. Bewegung kam in die Sache erst, als immer mehr Nachfahren zumeist jüdischer Enteigneter Rückforderungen stellten.

Auch Hannover richtete erst 2008 eine Stelle zur Erforschung des städtischen Kunstbesitzes ein, ab 2011 dann sogar in Vollzeit: Seitdem ist Annette Baumann Provenienzexpertin am Sprengel-Museum: Sie hat auch die neue Ausstellung kuratiert. Die stellt ab Dienstag 60 damals angekaufte Arbeiten vor, die man zudem auf ihre Herkunft untersucht hat. Und es geht um die Lebensläufe der Künstler, die sie schufen. Frank Keil