Im Fauserland, abgebrannt

Keine Literatur, die einen zu einem nützlichen Teil der Gesellschaft machen könnte: Zum 75. Geburtstag widmet das Lichtblick-Kino dem 1987 auf der Autobahn überfahrenen Jörg Fauser eine am Sonntag startende Filmreihe

Eine Verkettung unglücklicher Umstände: Marius Müller-Westernhagen und Polly Eltes in der Fauser-Verfilmung „Der Schneemann“ (1984) Foto: Bavaria

Von Sophia Zessnik

Wenn man sich dem Werk von Jörg Fauser nähert, seinen Büchern und den daraus entstandenen Filmen, und auch den Menschen, die sich des Autors Fauser in Interviews, Rezensionen und Huldigungen annehmen, stößt man auf eine für die Generation Y–Z eher befremdlich wirkende androkratische Welt. Eine durchweg männliche Gesellschaft, für die harte Drogen, Kippen und Alkohol der Antrieb – der Stoff – sind, mit dem sie ihrem Dasein eine Berechtigung zu erkämpfen versuchen. Mehr mit Worten als mit Taten, was im Falle Fausers immerhin zu einer gewissen Popularität geführt hat.

Der 1944 im südhessischen Bad Schwalbach geborene und 1987 mit 43 Jahren als Fußgänger auf der Autobahn bei München-Riem verunglückte Autor hätte am 16. Juli seinen 75. Geburtstag gefeiert. Anlass genug, sich seinem künstlerischen Vermächtnis zuzuwenden. Während der Diogenes Verlag Fauser mit einer Neuauflage seiner Werke ehrt, widmet ihm hier das Lichtblick-Kino eine kleine Retrospektive mit Peter F. Bringmanns Verfilmung des gleichnamigen Fauser-Krimis „Der Schneemann“ sowie Hans-Christof Stenzels Film „C’est la vie, Rose“, dessen Dialoge Fauser schrieb. Gezeigt wird außerdem der Dokumentarfilm „Rohstoff“ von Christoph Rüter, der nicht nur denselben Titel trägt wie Fausers Erfolgsroman, sondern auch eine Hommage an den Schriftsteller ist.

Letzterer Film ist vielleicht am sehenswertesten. Nicht dass er filmisch besonders raffiniert wäre, doch zeichnet er das Bild eines Künstlers, der immer wieder in der Versenkung zu verschwinden droht. Mithilfe der drei Fauser-Bewunderer Franz Dobler, Wiglaf Droste und Benjamin von Stuckrad-Barre fängt Rüter das Leben des ehemaligen Feuilletonhelden ein. Und mit ihm ein Gefühl, das an die alte Bundesrepublik erinnert, denn das finde man in Fausers Texten, beschreibt der kürzlich verstorbene Wiglaf Droste. Texten, denen sich die drei Autoren im Jahr 2004 auf einer Lesereise durch die neue Bundesrepu­blik widmeten.

Die Faszination, die Fausers Erfolgsroman „Rohstoff“ und dessen Titelheld, der Außenseiter Harry Gelb, auf ihn ausüben, beschreibt Droste im Film so: „‚Rohstoff‘ enthält nichts, was den jungen Mann von 23, der ich damals war, zu einem nützlichen Teil der Gesellschaft machen konnte.“

Zum Geburtstag Mit einer Filmreihe erinnert man im Lichtblick-Kino, Kastanienallee 77 an Jörg Fauser. Zu seinem 75. Geburtstag werden der Dokumentarfilm „Rohstoff“, Peter F. Bringmanns Verfilmung des gleichnamigen Fauser-Romans „Der Schneemann“ und Hans-Christof Stenzels Film „C’est la vie, Rose“, zu dem Fauser die Dialoge schrieb, gezeigt.

Mit Gästen Die Reihe startet am Sonntag, 14. Juli, und dauert bis 17. Juli. Teilweise sind Gäste angesagt. Am Sonntag sind das bei der Aufführung von „Rohstoff“ um 20 Uhr der Regisseur Christoph Rüter und der Fauser-Forscher Mark Mence.

Aber was enthält es dann, dieses stark autobiografisch geprägte Werk? Eine Realitätsflucht durch den Konsum von Roh­opium, den Stoff, aus dem Fausers Leben während eines zweijährigen Aufenthalts in Istanbul hauptsächlich bestand. Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, der das Leben mit neuen Geschichten versorgen soll. „Als Tourist im eigenen Leben“, so beschreibt Fauser sich selbst. Ewig rastlos.

„Zweifel haben und diese aussäen“, so müsse der ideale Schriftsteller sein und arbeiten, sagt Franz Dobler, der im Film durch das führt, was von Fausers Leben geblieben ist.

In Fausers Welt herrscht das Bild des getriebenen Mannes, sich selbst im Wege stehend, Ein Bild, wie es sich jahrzehntelang in den Texten namhafter Pop­literaten fand. Ende des vergangenen Jahrhunderts mag dieser Typ Mann noch charmant und geheimnisvoll gewirkt haben, heute ist der versoffene und kettenrauchende Poet mit Macho-Image fehl am Platz.

„Als Tourist im eigenen Leben“, so beschreibt Jörg Fauser sich selbst

So ist auch der Titelheld in der Verfilmung des Fauser-Krimis „Der Schneemann“ ein Abbild dieser vergangenen Zeit. Dem Protagonisten, verkörpert durch einen „sexy“ Marius Müller-Westernhagen, begegnen wir auf der beinahe fernöstlich anmutenden Insel Malta. Er ist der klassische Verlierertyp, dem es mit seinem Einmannvertrieb für schmuddelige Pornoheftchen einfach nicht gelingen will, das große Geld zu machen. Über Umwege an eine beachtliche Menge Kokain gekommen, muss er das nun irgendwie verticken. Verfolgt von einem George-Michael-Lookalike, flieht der Drogenbaron wider Willen mit einem Flugzeug und ganz ohne Grenzkontrollen (und das lange vor Öffnung der innereuropäischen Grenzen) nach Frankfurt und schließlich ins Rotlichtmilieu Amsterdams. Immer an seiner Seite, da mit Handschellen an ihn gekettet, die obligatorische schöne Frau, ohne die kein damaliger Kassenschlager ausgekommen wäre.

Es ist schon nachvollziehbar, dass der mit allerhand Slapstickmomenten gespickte Film Film seinerzeit Erfolge feierte. Das Gefühl beim „Schneemann“ ist ein bisschen wie bei alten „Tatort“-Folgen: nicht richtig aufregend und doch schön, weil es verklärt, wie die Welt scheinbar mal war und nie mehr sein wird.

So gesehen hat auch Fausers Kosmos seine Daseinsberechtigung: als Zeugnis seiner Zeit, die zum Glück nicht mehr ist und auch nicht wiederkommt.