: Umwelt doch (nicht) wichtig
Hamburgs Justizbehörde will eine verpflichtende Vorlesung zum Umweltrecht für angehende Jurist*innen abschaffen – und rudert nach Kritik zurück
Von Teresa Wolny
Das Fach Umweltrecht ist im Hamburger Jurastudium bisher Pflicht – eine bundesweite Besonderheit. Nun steht zur Diskussion, Umweltrecht als verpflichtendes Fach zu streichen. Ein Sprecher der Justizbehörde unter dem grünen Senator Till Steffen begründet den Schritt mit einer „bundesweiten Bestrebung der zuständigen Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer, die Juristenausbildung zu harmonisieren“. Dies beträfe sowohl die Bucerius Law School als auch die Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg – hier wie dort gibt es jedoch Widerstand gegen die geplante Streichung,
Um Vergleichbarkeit herzustellen, soll Umweltrecht als Pflichtfach nicht nur wegfallen, sondern durch Kommunalrecht ersetzt werden. Da Hamburg als Stadtstaat jedoch gar kein Kommunalrecht habe, ergebe das keinen Sinn, sagt Ivo Appel vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Umweltrecht und Rechtsphilosophie an der Uni Hamburg. Würde es verpflichtend eingeführt, müsste man das Kommunalrecht eines anderen Bundeslandes lehren und prüfen. „Dies war der Grund, weshalb in Hamburg vor fast 40 Jahren sehr weitsichtig entschieden wurde, statt des Kommunalrechts das Umweltrecht in den Prüfungsstoff aufzunehmen.“
Auch Michael Fehling vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Bucerius Law School ist gegen die Streichung: „Wenn man Ungleiches vereinheitlicht, dann schafft man ja nicht mehr Vergleichbarkeit und Gerechtigkeit, sondern zusätzliche Friktion.“ Er stimme zwar darin zu, dass die Unis bei einer möglichen Verschlankung des Prüfungsstoffes durchaus auf Umweltrecht verzichten – vorausgesetzt, es erhalte in anderen Bereichen höheren Stellenwert, etwa im Baurecht.
Fehling will der Behörde nicht unterstellen, sie arbeite bewusst gegen das Umweltbewusstsein der nachwachsenden Jurist*innenengeneration. Er spricht von einem Tunnelblick: „Im Bestreben um bundesweite Vereinheitlichung hat man sich die Konsequenz nicht vor Augen geführt.“
Lokale Bespiele, in denen das Umweltrecht relevant sei, erkennt Ivo Appel im Kohlekraftwerk Moorburg, in der Elbvertiefung oder auch schlicht der Luftqualität. Jede etwas größere Anlage müsse heute einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden und umweltrechtliche Anforderungen einhalten. „Wie das geht, was da schiefgehen kann und welche Folgen das hat“, sagt der Jurist, „lernt man im Umweltrecht.“
Der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Manfred Braasch, nennt die Streichung oder auch nur die Schwächung des Umweltrechts im Lehrplan einen „völlig falschen Schritt“: Gerade wer langwierige Planungen beklage, müsse für rechtssichere Verfahren der öffentlichen Hand sorgen. Als Beispiel nennt Braasch die Elbvertiefung: „Allein durch schlampige Planung und Missachtung von Umweltrecht sind Jahre vergeudet worden.“
Die Behördenabstimmung über die Neuerung ist noch nicht beendet. Michael Fehling zufolge hat das Justizressort eine Unterschriftenliste für den Erhalt überreicht bekommen – unterschrieben auch von Menschen wie Vassilio Skouris, früherer Präsident des Europäischen Gerichtshofs. „Es gibt kein anderes Rechtsgebiet, das die Verknüpfung von nationalem mit europäischem Recht so gut abbildet wie das Umweltrecht“, sagt Fehling.
Der Protest scheint Wirkung zu zeigen: Infolge der kritischen Rückmeldungen aus den Hochschulen werde man nun gemeinsam einen Weg der Harmonisierung suchen, heißt es aus der Behörde – einen, der ohne die Streichung des Umweltrechts auskommt.
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