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„Die Dämonen der Vergangenheit in Guatemala tauchen wieder auf“

Der Chef der Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala, über die Behinderungen seiner Arbeit und die politischen Verschiebungen vor der Wahl am kommenden Sonntag

Urnengang mit beschränkter Auswahl in Guatemala

Wahlen in Guatemala befördern meist an die Präsidentschaft, wer den Segen von Militärs und Unternehmerverband hat. Seit die Militärherrscher 1986 die Macht an Zivilisten übergaben, hat keine Partei zweimal den Staatschef gestellt. Nirgendwo in Lateinamerika ist die Auswahl an Kandidaten größer und die Halbwertszeit von Parteien geringer. Diesmal wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine Frau gewählt, obwohl zwei der aussichtsreichsten Kandidatinnen kurz vor dem Urnengang vom Verfassungsgerichtshof ausgeschlossen wurden. Zury Ríos, die Tochter von Ex-Diktator Efraín Ríos Montt (1982/83) wegen ihres Verwandtschaftsverhältnisses zu einem ehemaligen Staatschef, und Thelma Aldana, die ehemalige Generalstaatsanwältin, weil sie die Korruption der scheidenden Regierung aufarbeiten würde. Bleibt Sandra Torres, die Ex-Ehefrau des ehemaligen Präsidenten Álvaro Colom (2008–2012). Wenn niemand eine absolute Mehrheit erhält, gibt es eine Stichwahl am 11. August. (rld)

Interview Ralf Leonhard

taz: Herr Velasquez, Sie sind nach wie vor Leiter der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) dürfen aber nicht mehr ins Land?

Ivan Velazquez: Das ist richtig. Seit September 2018 darf ich nicht mehr einreisen.

Sie leiten die Arbeiten also von außen?

Ich bin noch immer Kommissar und arbeite, von New York, Bogotá oder San Salvador, wo ich mich gerade aufhalte.

Kann die CICIG denn noch arbeiten?

Mit vielen Einschränkungen. Die Regierung hat uns nicht nur den Polizeischutz entzogen, sie hat auch Argentinien, Kolumbien und Uruguay gebeten, die Polizisten, die uns unterstützten, abzuziehen. Das hat unseren Spielraum eingeschränkt. Nicht nur weil wir weniger Recherchepersonal haben, sondern auch wegen der Sicherheit.

Die Qualität der Arbeit hängt aber auch von der Kooperation der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft ab.

Ja, denn wir unterstützen ja die Nachforschungen der Staatsanwaltschaft. Es gibt seit Gründung der CICIG 2008 eine eigene Sonderstaatsanwaltschaft gegen die Straflosigkeit. Die ist unsere Ansprechpartnerin, und sie hat noch denselben Chef. Mit ihm läuft es ohne große Veränderungen.

Hat es seit Ihrem Rauswurf konkrete Erfolge gegeben?

Ja, drei oder vier Fälle in den letzten Monaten. Auch neue Fälle, die fast abgeschlossen sind. Die Arbeit ist nicht suspendiert. Aber die Regierung hat mehreren Mitarbeitern die Visa gestrichen oder nicht verlängert. Namentlich sind jene betroffen, die die illegale Wahlkampffinanzierung von Präsident Jimmy Morales durch Unternehmer untersuchten.

Am Sonntag werden das Parlament und ein neuer Präsident gewählt. Gab es Gespräche mit den aussichtsreichen Kandidaten, ob CICIG wieder ins Land kommen soll?

Ivan Velasquez, 63. Der Jurist leitet seit September 2013 im Auftrag des UNO-Generalsekretärs die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG). 2018 bekam er dafür den alternativen Nobelpreis.

Wir haben keine derartigen Kontakte gehabt. Die drei aussichtsreichsten Kandidaten sind alle gegen eine Rückkehr der CICIG. Der nächste spricht von einer reformierten CICIG, ohne das näher auszuführen. Aber eine Umfrage vor einem Monat hat gezeigt, dass 78 Prozent der Bevölkerung die Arbeit der CICIG schätzt.

Vor vier Jahren gab es eine Art bürgerlichen Aufstand gegen Präsident Otto Pérez Molina, die in dessen Absetzung und Verhaftung gipfelte. Jetzt ist Jimmy Morales Präsident – hält diese Empörung über die Politiker an?

Die Empörung hält an, aber es gibt keine massiven Demonstrationen in der Stadt. Die Indigenen auf dem Land haben da mehr Initiative. Die Leute werden müde, weil auch die Justiz so langsam arbeitet. Dank unserer Arbeit sind etwa 300 Personen verurteilt worden. Darunter die ehemalige Vizepräsidentin, die wegen Korruption bei der Sanierung des Lago de Amatitlán zu 15½ Jahren verurteilt wurde, und der Exzentralbankpräsident, der wegen Geldwäsche drei Jahre absitzen muss. Aber die großen Korruptionsfälle kommen erst nächstes Jahr vor Gericht. Darunter die illegale Finanzierung von Wahlkämpfen insbesondere bei Präsident Morales und La Línea.

Das ist die Zollmafia, in die Expräsident Otto Pérez Molina verwickelt ist …

Ein weiterer Faktor ist die Einschüchterung einer Bevölkerung, die den bewaffneten Konflikt, die Verfolgung von Oppositionellen und die Militärdiktaturen noch lebhaft erinnert. Als Präsident Morales am 31. August 2018 ankündigte, die CICIG nicht zu verlängern, trat er begleitet von mehreren Dutzend Uniformierten auf. Für Leute über 40 tauchen damit die Dämonen der Vergangenheit wieder auf.

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