: Ein Lichtblick für die SPD
Am Sonntag steht Gerd-Uwe Mende in der Stichwahl um das Wiesbadener Oberbürgermeisteramt gegen einen CDUler. Im ersten Wahlgang hatten beide die grüne Bewerberin überraschend hinter sich gelassen
Von Christoph Schmidt-Lunau, Frankfurt
In diesem Herbst gibt der SPD-Vize und hessische Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel alle Parteiämter ab und verabschiedet sich aus der aktiven Politik. Nach den vielen Niederlagen für seine Partei und ihn persönlich könnte es für ihn trotzdem noch eine versöhnlicher Abschiedsfeier geben. Denn vor der OB-Stichwahl in der Landeshauptstadt Wiesbaden am kommenden Sonntag liegt sein Genosse und langjähriger Mitarbeiter, Gerd-Uwe Mende, vorne. Der 56-jährige Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion war kurzfristig eingesprungen, nachdem der designierte Kandidat der Sozialdemokraten, der amtierende OB Sven Gerich, seine Kandidatur zurückgezogen hatte. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Korruptionsvorwürfen.
„Aus Wiesbaden kommt ein Lichtblick an einem trüben Wahlsonntag“, sagte Schäfer-Gümbel am Abend der Europawahl, an dem zeitgleich der erste OB-Wahlgang ausgezählt worden war. Auch in Hessen geriet die Europawahl für die SPD zum Desaster. Mit minus 11,9 Prozent erzielten die Sozialdemokraten landesweit gerade noch 18,4 Prozent der Stimmen. Doch beim ersten Durchgang zur Wahl des Wiesbadener Rathauschefs schnitt der SPD-Kandidat mit 27,1 Prozent fast 9 Prozent besser ab als seine Partei.
Die Grünen-Kandidatin Christiane Hinninger, die als Fraktionschefin der Grünen im Rat der Stadt und als ehemalige Verkehrsdezernentin in Wiesbaden eigentlich als favorisiert galt, erreichte dagegen zwei Prozent weniger als ihre Partei und verfehlte mit 23,4 Prozent knapp den zweiten Wahlgang. Am Sonntag müssen sich die Wiesbadener nun zwischen dem 53-jährigen Dachdeckermeister Eberhard Seidensticker (CDU), der im ersten Wahlgang 24,5 Prozent erhielt, und Mende entscheiden.
Ihre Parteien gingen angeschlagen in den OB-Wahlkampf. Gegen den langjährigen CDU-Landtagsabgeordneten und Kreisvorsitzenden Horst Klee ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts illegaler Parteienfinanzierung. Angezeigt hatte ihn ein prominenter Parteifreund. Gegen diesen und gegen den langjährigen CDU-Fraktionschef Bernhard Lorenz laufen Ermittlungen wegen undurchsichtiger Geldtransfers. Doch „Filzbaden“ habe im OB-Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt, berichten sowohl Mende als auch Seidensticker.
Beide waren vor ihrer Kandidatur in der Stadt parteipolitisch kaum hervorgetreten. Als stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher sei er ohnehin eher einer gewissen Neutralität verpflichtet, sagte Seidensticker der taz. Mende ist zwar ehrenamtlicher Ortsvorsteher in seinem Ortsteil Dotzheim, in der Stadtpolitik aber ein weithin unbeschriebenes Blatt. Vielleicht haben gerade wegen der negativen Schlagzeilen zwei Außenseiter und nicht die deutlich bekanntere Grüne den zweiten Wahlgang erreicht.
Am Dienstagabend standen beide Kandidaten der Kreisversammlung der Wiesbadener Grünen Rede und Antwort. Nach der Versammlung stimmten die Mitglieder der Partei gegen eine Wahlempfehlung.
Am Tag der Europawahl hatten in Wiesbaden 54 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl wird deutlich darunter liegen. Im ersten Wahlgang hatte Seidensticker in den CDU-Hochburgen und bei den Älteren gepunktet, Mende bei den Jüngeren. Schafft es Mende trotz des Allzeittiefs seiner Partei, käme das einer kleinen Sensation gleich. Es wäre auch der Fingerzeig für die Personaldebatten seiner Partei, dass es ein unverbrauchter Kandidat mit persönlicher Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit schaffen kann – auch wenn er bislang eher im Hintergrund stand.
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