Nach Beekhuis sexistischen Chats: SPD startet Parteiordnungsverfahren

Die SPD will Jochen Beekhuis, Abgeordneter des Niedersächsischen Landtags, ausschließen. Der Grund sind diskriminierende Chats.

Jochen Beekhuis sitzt während der Landtagssitzung im Landtag und beschäftigt sich mit seinem Handy..

Langweilige Landtagssitzung: Jochen Beekhuis (links) und Kollegen gehen lieber online Foto: dpa

HANNOVER taz | Fliegt Jochen Beekhuis aus der SPD? Geht es nach dem sozialdemokratischen Bezirk Weser-Ems, dürfte das bald der Fall sein. Der SPD-Abgeordnete im Niedersächsischen Landtag und Kreisvorsitzende der Partei in Aurich wird beschuldigt, sich in Facebook-Chats und in fingierten Leserbriefen in unflätiger und derber Weise über andere Menschen geäußert zu haben. Dabei soll er vor allem füllige und behinderte Menschen, Homosexuelle und Frauen seiner eigenen Partei beleidigt, diskriminiert und mit sexistischen Sprüchen überzogen haben.

Das geht zu weit, finden die Genoss*innen im Kreis Weser-Ems. Der Bezirksvorstand leitete am Wochenende ein Parteiordnungsverfahren ein, an dessen Ende der Parteiausschluss Beekhuis’ stehen soll. Zudem wurde Beekhuis aufgefordert, sämtliche Ämter und Mandate niederzulegen. Seine Rechte als Parteimitglied ruhen für die nächsten drei Monate.

„Die Partei zeigt hier klare Kante“, sagt Wiard Siebels, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion und Vize-Chef des SPD-Bezirks Weser-Ems: „Das Parteiordnungsverfahren ist nahezu zwingend notwendig.“ Siebels hatte das Verfahren entscheidend mit angeschoben. Die beiden kennen sich von früher, Siebels hatte öfter vor Beekhuis gewarnt: Dem Mann sei nicht zu trauen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die beiden Kontrahenten sind.

Die Vorwürfe gegen den 42-jährigen Beekhuis waren im Zuge eines bundesweiten Datenskandals öffentlich geworden. Dabei hatte ein 20-jähriger Schüler Ende des vergangenen und Anfang dieses Jahres private und dienstliche E-Mail-Konten, Facebook- und andere Accounts von hunderten Politiker*innen, Prominenten und Journalist*innen gehackt und die Daten ins Netz gestellt hatte. Darunter auch Beekhuis fragwürdigen Chat.

Der blieb zunächst unentdeckt und wurde erst im März bekannt. Daraufhin untersuchte eine Kommission aus zwei Rechtsanwält*innen und einem Ex-Politiker die „Causa Beekhuis“. Nun liegt der Bericht vor. Darin steht: „Die Kommission ist davon überzeugt, dass der Chatverlauf nicht manipuliert worden ist und die Äußerungen von den dort aufgeführten Personen stammen.“ Beekhuis selbst hatte die Vorwürfe seinerzeit weder bestätigt noch bestritten. Über seine Anwältin ließ er mitteilen, sein Account sei gehackt worden.

In dieser Woche wollen der Vorstand der niedersächsischen SPD sowie die Gremien im Bezirk Weser-Ems tagen. Es werden „alle juristischen und politischen Aspekte“ beleuchtet, wie Oliver Grimm, Pressesprecher der SPD-Fraktion im Landtag sagte. Ob es am Ende tatsächlich zu einem Parteiausschluss kommt, ist fraglich. Die SPD hat schon mehrfach vergeblich versucht, unliebsame Genossen aus ihren Reihen auszuschließen, darunter den Berliner Ex-Finanzsenator und Buchautor Thilo Sarrazin. Ihm wird Rassismus vorgeworfen. Zwei Mal ist die Partei mit einem Ausschlussverfahren gescheitert, am Mittwoch verhandelt ein Berliner Gericht erneut.

Die gesetzlichen und parteiinternen Hürden für einen Ausschluss liegen hoch. So muss laut der Parteistatute ein „vorsätzlicher Satzungsverstoß oder erheblicher Verstoß gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei“ erfolgt oder der Partei ein „schwerer Schaden“ zugefügt worden sein. Nach Ansicht von Expert*innen kann die Berliner SPD den Schaden, der durch Sarrazin entstanden sein soll, nicht konkret genug benennen. Es könnte also sein, dass auch der dritte Ausschlussversuch scheitert.

Die niedersächsische SPD hat den „Fall Sarrazin“ sicher klar vor Augen. „Es kann sein, dass es nicht klappt“, sagt der Landtagsabgeordnete Siebels. Über Sanktionen oder andere Maßnahmen, sollte Beekhuis in der Partei bleiben, gibt es laut Pressesprecher Grimm noch keine Entscheidung.

Beekhuis war nicht allein am Chat beteiligt. Einige seiner SPD-Kolleg*innen, also auch Frauen, sollen mit ihm kommuniziert haben. Mit den „Mittäter*innen“ will sich der Bezirksvorstand in einer der nächsten Sitzungen beschäftigen.

Beekhuis selbst äußert sich nicht, seine Homepage ist derzeit nicht zu erreichen. Im Landtag fiel der Mann mit dem Zopf auf: Während der Plenardebatten war er öfter aufgestanden und aus dem Saal gegangen. Wenn andere sprachen, tippte er in sein Handy. Eine Rede Beekhuis’ oder ein Statement zu einem politischen Thema sucht man vergebens.

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