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: SPD jetzt mit neuem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid

Die SPD könnte künftig wie Grüne und Linkspartei auf eine Doppelspitze setzen. Bis Oktober will die Partei über ein Duo – oder eine einzelne Person an der Parteispitze entscheiden

Das Neue

Die SPD möchte zum ersten Mal in ihrer Parteigeschichte eine Doppelspitze ermöglichen. Es müsse möglich sein, dass zwei sich die große Aufgabe teilten, sagte die kommissarische Parteichefin Malu Dreyer nach einer siebenstündigen Gremiensitzung am Montag in Berlin. Die Parteimitglieder könnten sich in Zukunft zwischen Einzelpersonen und einem Team an der Parteispitze entscheiden.

Der Kontext

Vor drei Wochen zog sich Andrea Nahles nach heftiger interner Kritik von Partei- und Fraktionsvorsitz zurück. Die SPD-Spitze hat sich danach fest vorgenommen, die Basis bei der Nachfolge mitentscheiden zu lassen. Kommunalpolitiker, Ortsvereine und Mitglieder wurden dazu aufgerufen, Wünsche zu äußern. Laut SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil meldeten sich mehr als 23.000 GenossInnen. Viele hätten sich für die Doppelspitze ausgesprochen. Auch ungewöhnliche Ideen kursierten: Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann hat etwa vorgeschlagen, auch Nichtmitglieder an der Wahl des Parteivorsitzenden zu beteiligen – gegen eine Gebühr von 5 Euro.

Das Personal

Das Interesse am Parteivorsitz ist überschaubar. Kein Wunder: Die SPD steht in Umfragen bei 12 bis 14 Prozent. Über allem schwebt die Frage, ob die SPD nicht besser aus der Groko flüchten sollte. Mehrere prominente Sozialdemokraten haben bereits dankend abgewinkt. Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz etwa behauptet, dass er den Job neben seinen anderen Aufgaben zeitlich nicht schafft. Auch die drei Interimsvorsitzenden – Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel – haben abgesagt. Deshalb richten sich die Blicke auf jene, die eine Kandidatur offenlassen – oder vielsagend schweigen. Da wäre zum Beispiel Franziska Giffey, die als Familienministerin eine gute Figur macht. Giffey ist in der Partei beliebt, spricht eine klare Sprache und gilt als zupackend – allerdings wird gerade ihre Doktorarbeit wegen möglicher Plagiate durchleuchtet. Stephan Weil, der mächtige Ministerpräsident von Niedersachsen, äußert sich eher ablehnend – würde sich aber wohl bitten lassen, wenn die Partei ihn riefe. Auch Lars Klingbeil, Generalsekretär und Experte für Digitales, hat eine Kandidatur nicht ausgeschlossen. Und dann wäre da ja noch Juso-Chef Kevin Kühnert, der sich traut, laut über Sozialismus nachzudenken – und aus der Groko austreten will. Er als Vorsitzender, das ist gerade für rechte SPDler eine Horrorvision. Kühnert, der normalerweise in Medien sehr präsent ist, ist seit Andrea Nahles’ Abgang abgetaucht. Das spricht dafür, dass er zumindest ernsthaft über eine Kandidatur nachdenkt.

Das Verfahren

Die SPD will nun bis Oktober 20 bis 30 Regionalkonferenzen organisieren, auf denen sich interessierte Teams und einzelne KandidatInnen vorstellen können. Danach sollen die über 400.000 Mitglieder über den Vorsitz entscheiden. Die neue Parteispitze stünde dann Ende Oktober fest und müsste dann noch von einem Parteitag bestätigt werden. Ulrich Schulte