piwik no script img

Paint Love – not War

Die Städtische Galerie zeigt in „Tandem – Haifa – Bremen“ Künstlerpositionen aus Israel und Bremen, die sich erfreulicherweise mal nicht nur mit dem Nahost-Konflikt beschäftigen

Von Jan-Paul Koopmann

Wo Menschen, in diesem Fall Künstlerinnen und Künstler, ihr Miteinander zum Thema machen, da gibt es zwei Möglichkeiten. Langweilig, aber gelegentlich heilsam ist es, Freundschaft zu demonstrieren und kurz beiseite zu lassen, worum man sonst streitet. Ergiebiger aber schmerzhafter ist es hingegen, sich aneinander abzuarbeiten und gerade die Schwierigkeiten in den Fokus zu rücken.

Dass die Stipendiums- und Ausstellungsreihe „Tandem“ der Städtischen Galerie grundsätzlich beides kann, hat sie seit ihrer Premiere 2004 mehrfach unter Beweis gestellt. Bisher 47 Künstler*innen aus Bremens Partnerstädten in China, Polen und Lettland haben sich hier mit Bremer Kunstkolleg*innen zusammengetan und mal konfrontativ, mal völlig offen mitein­ander gearbeitet. Die aktuelle Ausgabe ist besonders interessant, weil Haifa an der Reihe ist. Und in Sachen Israel ist ja nun wirklich niemand mehr einfach nur neugierig.

Eingangs trifft man dann auch auf die erwartbaren Positionen. David Oppenheim aus Haifa präsentiert etwa skizzenhafte Zeichnungen von Wachtürmen und Sicherheitsschleusen der Grenzanlagen zu den Palästinensergebieten. Sie wirken wie die Zufallsfunde eines Spaziergängers: rasch dokumentiert, herausgelöst aus der Landschaft und scheinbar auch aus dem historisch-politischen Konflikt – für den sie aber selbstverständlich exemplarisch gelesen werden wollen.

Ganz ähnlich verhält es sich gegenüber bei Norbert Bauer aus Bremen, wenn er als seziertes Medienbild eine großformatige Explosion zeigt. Nun ist es formalästhetisch zunächst hochinteressant, wie sich Oppenheims Tandempartner Joachim Pohlenk in seinen Arbeiten ebenfalls mit Strukturen und Architektur befasst. Tragisch hingegen ist, wie seine bestechende Offenheit angesichts des übergroßen Nahostkonflikts verpufft. Ob nüchterne Positionen wie Pohlenks zu dieser Frage noch hörbar sind? Die Schau stimmt pessimistisch.

Eine große Freude ist die von Katerina Vatsella kuratierte Schau hingegen da, wo Form und Inhalt einander auf Augenhöhe begegnen. Ein echtes Traumpaar sind zum Beispiel Soledad Har Sheleg und Anja Fußbach, die sich mit der Gewaltförmigkeit sexueller Grenzerfahrung beschäftigen. Fußbach zeigt das mit an Pop und Fetisch geschulten Skulpturen, Soledad Har Sheleg verkauft Buttons mit Penisbildern, die Männer ihr ungefragt zugeschickt haben. Einen Raum weiter arbeiten Eliana Renner und Netalie Zohar aus grundverschiedenen Perspektiven zu inszenierten Bildern und sozialer gesellschaftlicher Realität, noch später treffen Daniella Borchards Landschaftsgemälde auf Fotos, die Pia Pollmann von verfallenen Landsitzen gemacht hat, in denen Spuren verschwundener Bewohner*innen und Renovierungsarbeiten einer jungen Generation zaghaft interagieren.

Bemerkenswert ist jedenfalls, wie diese subtilen und vielschichtigen Arbeiten eben nicht überschattet werden vom vorgeführten Engagement zum Nahost-Konflikt. Zumindest in dieser Schau gibt es bei der Auseinandersetzung weit mehr zu gewinnen als zu verlieren.

Bis 28. 7., Städtische Galerie

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen