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Populismus am Bau

Mit der Verzahnung von Raum und Politik beschäftigt sich die Architekturzeitschrift „Arch+“, die ihr Heft über „Rechte Räume. Bericht einer Europareise“ in der Volksbühnevorstellte

Von Martin Conrads

Kurzes Stutzen in Mitte am Freitag: Ganze Straßenzüge waren weiträumig abgesperrt. Die Berliner Architekturzeitschrift Arch+ hatte ins Sternfoyer der Volksbühne geladen, um ihr aktuelles Heft vorzustellen: „Rechte Räume. Bericht einer Europareise“, so der Titel der Ausgabe und des Abends. Tatsächlich war nur ein Polizeiauto zum Schutz der Veranstaltung dezent vor dem Gebäude am Rosa-Luxemburg-Platz postiert – die Absperrungen dienten einem Filmdreh, und die Polizei kam nicht zum Einsatz.

Eine ähnliche Veranstaltung mit gleichem Titel hatte es bereits im Oktober am selben Ort gegeben, sie verstand sich als ein Auftakt. Damals ging es um den „Aufschwung rechtspopulistischer Politik, dessen Auswirkung auf ,Rechte Räume‘ und unseren Umgang mit ihnen“, wobei vor großem Publikum, aber in verhältnismäßig kleiner Runde auf der Bühne etwa über völkische Siedlungsprojekte im ländlichen Raum in Deutschland gesprochen wurde.

Anders am Freitag: Der Architekturtheoretiker Stephan Trüby moderierte vor ausverkauftem Haus eine Tour de Force, an deren Ende nach zwei Stunden 13 Personen auf der Bühne saßen, die alle einen Beitrag zum Thema beigesteuert hatten. Mitarbeiter/innen und Studierende des von Trüby an der Universität Stuttgart geleiteten „Instituts für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen“ (IGmA) hatten im vergangenen Wintersemester eine Europareise entlang einer mit Schlenkern versehenen „Achse Rom-Berlin“ unternommen, bei der sie „rechte Räume“ identifizierten und kartierten, wie das Arch+-Heft nun zeigt, das die Reise dokumentiert.

Auf die Verzahnung von Raum und Politik wolle die Ausgabe hinweisen, so Arch+-Mitherausgeber Anh-Linh Ngo, auf das raumpolitische Programm der Neue Rechten, auch auf Konzepte architektonischer Rekonstruktion, die den Verlauf der Geschichte vergessen machen wollten (das Berliner Stadtschloss oder die neu erbaute Frankfurter Altstadt wurden an dem Abend des Öfteren genannt), wobei Ngo klarstellte, dass niemand rechts sei, „nur weil er Rekonstruktionen schön findet“.

Tatsächlich unternahm der Abend, unternahm die präsentierte Forschungsreise einen Spagat, der sich nicht nur an ästhetischen Kriterien, sondern auch an unterschiedlichen politischen Realitäten messen lassen musste. So bestehen – ganz offensichtlich – etwa zwischen dem Humboldt Forum und der „CasaPound“ in Rom mindestens aufgrund funktionaler Kriterien zu gravierende Unterschiede für eine deckungsgleiche Charakterisierung als „rechtem Raum“. Bezüglich des Humboldt Forums sieht die auch auf dem Podium vertretene Autorin Anna Yeboah im vorgestellten Heft aus der Perspektive einer schwarzen Frau eine Verbindung „zwischen dem offenkundigen Rassismus Neuhardenberger Parkplatz-Nazis und gebildet daherkommenden Verharmloser*innen des deutschen Kolonialismus in Berlin-Mitte“. Bei der CasaPound handelt es sich um ein von Matteo Trentini für das Forschungsprojekt beobachtetes, von Faschisten besetztes und nach dem mussolinitreuen Dichter Ezra Pound benanntes Haus, um das sich mittlerweile eine In­frastruktur rechter Läden gebildet habe.

Schwierigkeiten dabei oder Zweifel daran, so grundverschiedene Räume in gleicher Weise als „rechts“ zu bezeichnen, gab es an diesem Abend nicht. Dies mag der Zeit und der Fülle des mitgebrachten Materials geschuldet gewesen sein, weniger Programmpunkte hätten durchaus zur Klärung mancher politischer und gestalterischer Differenzen der vorgestellten architektonischen und räumlichen Konzepte beitragen können.

Interessant in diesem Zusammenhang war die Einschätzung des in Wien lebenden Journalisten Wojciech Czaja, der in Polen recherchiert hatte und zu dem Schluss kam, dass es keine Architektur des polnischen Rechtspopulismus gebe, wohl aber eine entsprechende Politik auf der Ebene der Stadtplanung. Als Beispiel führt er den Skandal um den von Jarosław Kaczyński mutmaßlich unlauter eingefädelten, mittlerweile gestoppten Plan des Baus von Zwillingshochhäusern in der Warschauer Innenstadt an, der unter anderem auch den Abriss eines denkmalgeschützten Wohnhauses bedeutet hätte.

Im Gegensatz zu diesen Plänen nimmt sich die vom IGmA fotografisch zumindest von außen dokumentierte Landesgeschäftsstelle München der AfD fast tragikomisch aus: Da sich in der Münchner Innenstadt niemand gefunden hätte, der der Partei Büroräume vermieten wollte, habe diese in einem schlichten Gewerbebau mit asiatischem Restaurant außerhalb von München ihren Sitz nehmen müssen, so Trüby.

Einen gegensätzlichen Versuch der Nobilitierung oder Akademisierung reaktionären Wirkens sah die in Bayreuth lehrende Literaturwissenschaftlerin Tina Hartmann bei der von der „Förderstiftung konservative Bildung und Forschung“ getragenen Berliner „Bibliothek des Konservativismus“. Bei dieser Forschungsbibliothek würde nicht nur durch die Auswahl der Bücher, sondern auch durch deren Ordnung behauptet, „dass das Kontinuum von Geistesgeschichte das Konservative ist“, dort etwa, wo im Regal für „Romantik“ vieles fehle, was dann aber unter „Konservativismus“ eingeordnet sei. So zeigte der Abend auch, dass die räumliche Ordnung der Rechten weitaus subtiler sein kann als deren Repräsentationen in gebauter Umwelt.

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