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„Wir wollen Spaltungen entge­gen­treten“

Die Sprecherin des bundesweiten „unteilbar“-Bündnisses für Sachsen, Rudaba Badakhshi, über das Engagement des Bündnisses in Ostdeutschland, Aktionen während des gesamten Sommers und den Begriff der Solidarität

Interview Michael Bartsch

taz: Frau Badakhshi, am 13.Oktober 2018 gingen in Berlin eine Viertelmillion Menschen für Demokratie, Grundrechte, Naturerhalt, Sozialstaat und ein Recht auf Migration auf die Straße. Soll dieser Impuls nun auf Sachsen und den Osten ausstrahlen?

Rudaba Badakhshi: „Unteilbar“ hat seitdem nicht aufgehört und ist jetzt auch in Sachsen präsent, weil hier, in Brandenburg und Thüringen Landtagswahlen stattfinden. Wir waren auf der Leipziger Buchmesse und am 1. Mai auch in Erfurt. Höhepunkt soll am 24. August eine bundesweite Großdemo in Dresden sein, eingeleitet durch den „unteilbar-Sommer“. Die Auftaktdemo findet am 6. Juli in Leipzig statt.

Das ist unzweifelhaft Wahlkampf, oder?

Wir weisen auf Themen hin, geben aber keine Wahlempfehlung. Wir sind politisch, wir sind klar und deutlich, aber wir sind nicht parteipolitisch. Alle zwei Wochen treffen wir uns in Berlin, Leipzig und Dresden, wo Akteur*innen ihre Themen einspeisen und mitmachen können.

Wer sind eigentlich diese Akteure, wer organisiert die Demos?

„Unteilbar“ ist ein breites Bündnis von Vertreter*innen aus Gewerkschaften, Sozialverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und engagierten Einzelpersonen. „Unteilbar“ ist eine generationsübergreifende Angelegenheit, nicht nur für junge Leute. Unsere zweiwöchigen Treffen zum Beispiel in Sachsen sind so niedrigschwellig angelegt, dass jeder hinzukommen kann.

Kann man „unteilbar“ in die Versuche der Verteidiger bisher geltender Grundwerte einreihen, sich angesichts des allgemeinen Trends nach rechts wieder kollektiv zu formieren?

Es geht nicht nur um „Keine Toleranz der Intoleranz“. Menschen, die schon hinter Berlin 2018 standen, wollen ihre positive Motivation noch einmal zeigen. Wir stellen uns täglich Erscheinungen wie Homophobie, antimuslimischem Rassismus oder Sexismus entgegen. So werden wir 2019 besonders im Osten mit unserem Motto sichtbar und hörbar sein: „Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden“.

Setzen Sie mit spektakulären Großdemos wie in Berlin auf einen Effekt, den man in der Chemie das Massenwirkungsgesetz nennen würde? Die „Erklärung der Vielen“ aus Künstler- und Theaterkreisen spielt ja auch auf ein Mehrheitsbewusstsein an.

Es spielt insofern eine Rolle, dass wir soziale Ungerechtigkeiten, die Perspektiven der von Diskriminierung bedrohten oder betroffenen Minderheiten aufzeigen möchten. Sie können oft kein selbstbestimmtes Leben führen und erfahren kaum Anerkennung. Wir möchten darüber reden, sodass die Mehrheit sich dieser Unterschiede und Ausgrenzungen bewusster wird.

Halten Sie die Rückkehr zu einem gesellschaftlichen Minimalkonsens wieder für möglich oder setzen Sie auf Konfrontation?

Die Hoffnung auf Verständigung sollte nie verschwinden, weil wir sonst zu einigen Gruppen nicht vordringen würden. Wir sind ein breites gesellschaftliches Bündnis mit einem positiven Bild der Gesellschaft. Wir wollen den Spaltungen und der Abkehr von grundlegenden Menschenrechten entschieden entgegentreten. Es geht um Argumente jenseits jeglicher autoritärer Lösungsansätze. Der Hass-Kommunikation und den rassistischen Übergriffen im Alltag und in sozialen Medien gilt es etwas entgegenzusetzen.

Das klingt nicht verschärfend und polarisierend, sondern eher wie ein Angebot.

Rudaba Badakhshi ist Vorsitzende des Vereins Zentrum für Europäische und Orientalische Kultur und interkulturelle Trainerin. Sie lebt in Leipzig.

Ja, das ist ein positives Angebot zum Dialog. Dazu gehört, dass wir uns auf den Straßen zeigen und auf Gruppen verweisen, die nicht den gleichen Zugang zu Ressourcen und Rechten genießen. Dazu kann man uns persönlich vor Ort unterstützen, auf unserer „unteilbar“-Seite den gemeinsamen Aufruf unterzeichnen und spenden. Unser Anliegen ist einmalig in Deutschland, das Verbinden und das Sichtbarmachen verschiedener sozialer Kämpfe.

Zum Sommerprogramm gehören nicht nur Massenspektakel, sondern auch Lesungen.

Aus der Berliner Demo im vorigen Oktober sind eine Veröffentlichung im Ullstein-Verlag und ein Podcast mit den Beiträgen und Reden entstanden. Dies und andere Beiträge werden auf den Lesungen vorgestellt. Das sind kleinteilige und sehr wirksame Veranstaltungsformate. Wir gehen in die Stadtteilhäuser, beteiligen uns an Stadtfesten, wobei wir vieles selbst gestalten, bunt und vielfältig. Nicht zu vergessen ist die Unterstützung der am 20. Juli beginnenden Konzert- und Marktplatztour durch Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Es wird auch nach den Landtagswahlen im Osten weitergehen.

Die Wirkung auf wahrscheinliches Wahlverhalten muss man doch in Frage stellen, wenn man Umfragen und Prognosen speziell im Osten anschaut. Glauben Sie an einen Effekt Ihrer Aufrufe?

Wir bemerken eine gute Resonanz bei Gesprächen und konkrete Unterstützung bei der Organisation in Berlin, Leipzig, und Dresden für die bundesweite Demo in Dresden und allen weiteren gemeinsamen Aktivitäten. So auch bei den Vorbereitungen auf die Marktplatz- und Konzerttour in Plauen, in Zwickau, im Erzgebirge, in Grimma oder Bautzen. Teilnehmer*innen nutzen Potenziale in ihrer Nachbarschaft, damit Menschen mit zur Floskel gewordenen Begriffen wie Solidarität und Gerechtigkeit wieder etwas anfangen können. Themen, die Grundrechte und vielfältige Lebenswelten betreffen. Das gibt uns große Hoffnung, dass die Bewegung einen Effekt haben wird. Ich wage keine Wahlprognosen, aber wir sind sehr viele und wir tun unser Bestes.

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