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Mathe zu schwer,Protest muss her

Zehntausende Schüler beschweren sich in Bayern über Abi-Prüfungsaufgaben, bei denen viele nur Bahnhof verstanden. Protest-Petitionen auch in anderen Ländern gestartet

Der Mathe-Unterricht: viel zu kompliziert oder „sehr machbar“? Foto: Veit Mette/laif

Aus München Patrick Guyton

Am vergangenen Freitag kurz nach 13 Uhr begann das Stöhnen, das Klagen, die Wut stieg auf. Erst auf den bayerischen Schulhöfen, als die Abiturienten aus der schriftlichen Mathematikprüfung kamen. Dann in den Chatrooms im Internet. Allgemeiner Tenor: Das Mathe-Abi 2019 war schwer, viel zu schwer!

Noch am selben Tag starteten die Schüler eine Onlinepetition. Das Abitur „enthielt plötzlich Aufgabenstellungen, die vorher kaum einer gesehen hat“, ­schreiben sie. Teile davon „waren so schwer wie in keiner der vergangenen Abitur-Prüfungen“. Die Petition hat durchschlagenden Erfolg: Am Montag bis um 15 Uhr hatten sich schon knapp 58.000 Menschen eingetragen – dabei gibt es in Bayern nur rund 37.000 Abiturienten.

Und auch in anderen Bundesländern erhob sich Protest: In Niedersachsen, Bremen, Hamburg, dem Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Thüringen und Sachsen-Anhalt starteten SchülerInnen ebenfalls Petitionen wegen zu schwerer Mathe-Prüfungen.

„Alle sagen, dass sie zu wenig Zeit hatten“, meint Schülerin Alicia B. von einem Gymnasium im südlichen Münchner Umland. „Es haben so Standardfragen gefehlt“, findet Daniel H. „Zu mir meinte die Lehrerin danach, man konnte zwischen Pest und Cholera wählen“, schreibt eine Chat-Teilnehmerin.

In Bayern nahm sich rasch die Landespolitik das Thema vor. Die SPD-Fraktion verlangte, die Aufgaben zu überprüfen. Falls sie deutlich zu schwer waren, sollte nach Ansicht der Abgeordneten Simone Strohmayr „der Notenschlüssel gesenkt und an den Schwierigkeitsgrad angepasst werden“ – was auch die Schüler-Petition verlangt.

Für den Kultusminister Michael Piazolo von den Freien Wählern (FW) kommt die Sache ungelegen. Noch nicht einmal ein halbes Jahr ist der freundlich-sanft auftretende Politikprofessor im Amt, schon hat er den Abitur-Ärger. Bereits am Sonntag ließ er verlauten: „Wir nehmen die Hinweise der Schülerinnen und Schüler zum Schwierigkeitsgrad ernst und werden die Aufgaben sorgfältig prüfen.“

Das Mathe-Abi ist eine komplexe Sache. Es gibt den Teil A und den Teil B. In beiden werden Aufgaben aus den Gebieten der Analysis, der Geometrie und der Stochastik gestellt. Letztere befasst sich mit Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. A ist der einfachere Teil, B wendet sich dann eher an die Experten. So erklären es Schüler, die mindestens fünf von insgesamt 15 Punkten brauchen, um nicht durchzufallen.

Die Reaktionen unter den Lehrern sind völlig unterschiedlich. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, sagte in einem Interview, es gebe „keine Anzeichen“ für eine erschwerte Prüfung. Florian Borges vom Bayerischen Philologenverband hat erfahren, dass „insbesondere der Teil A in diesem Jahr sehr machbar“ gewesen sei. Der bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hingegen hält den Schülerprotest für „begründet“. Sehr viele Schüler seien nicht fertig geworden, weil es in der Prüfung „viel, teils auch unnötigen Text“ gegeben habe, so Präsidentin Simone Fleischmann.

Sollte die Petition nichts fruchten, planen die Schüler eine Demo am 18. Mai vor dem Kultusministerium. Der Aufruf richtet sich „an alle Abiturienten aus Bayern, die auch vom Abi zerstört wurden“.

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Auch die Tochter von taz-Autor Patrick Guyton schrieb am Freitag ihre Abiturprüfung in Mathematik an einem Gymnasium in Bayern. Ihre Meinung: „Der A-Teil war deutlich schwerer als in den letzten Jahren.“ Auch ihr gilt die Empfehlung von Michael Schwägerl vom Bayerischen Philologenverband: „Hadert nicht mit der Matheprüfung. Konzentriert euch jetzt auf die weiteren Prüfungen.“ Bei der 18-Jährigen stehen als Abi-Fächer noch Französisch, Kunst und evangelische Religion an.

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