: Im Zeichen des Wiederaufbaus
Einfach reparieren lässt sich Geschichte nicht – aber dass die von den Nazis zerstörte Synagoge am Fraenkelufer neu gebaut werden soll und dass es da auch Bedarf gibt für mehr Platz für jüdisches Leben, das ist doch ein Zeichen
Von Andreas Hergeth
Es grenzt an ein Wunder, dass diese Bilder hier hängen. Der Kriegsfotograf Robert Capa hat sie im September 1945 aufgenommen. Die schwarzweißen Fotografien zeigen Szenen des ersten Gottesdienstes nach der Schoa, der in der Synagoge am Fraenkelufer stattfand, und zwar zum jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana.
Auf einem der Bilder ist Rabbiner Martin Riesenburger mit den Torarollen zu sehen, ein amerikanischer Offizier blickt zu ihm auf. Der Gottesdienst fand in der ehemaligen Jugendsynagoge im linken Seitenflügel statt, dem einzigen Teil des großen Synagogengebäudes, der den Zweiten Weltkrieg überstanden hatte und der nach Kriegsende notdürftig instand gesetzt worden war.
Die 1916 eingeweihte Synagoge am Fraenkelufer wurde in der Pogromnacht 1938 zerstört, brannte nach einem Bombenangriff 1943 aus und war nach dem Krieg eine Ruine. Nur die Fassade des großen Haupthauses, der eigentlichen Synagoge, stand noch, wie man auf alten Fotos sehen kann. Sie wurde abgerissen, die Synagoge nicht wieder aufgebaut. Bis jetzt. Das Gotteshaus soll wieder entstehen. Der Bedarf ist da.
„Eine große Synagoge wurde nach Ende des Krieges nicht mehr gebraucht“, weiß Mario Marcus, Schatzmeister des neu gegründeten Vereins „Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer“, der eigens für den Wiederaufbau der Synagoge gegründet wurde, im Gespräch mit der taz zu berichten. „Damals lebten in den 50er Jahren nur noch fünf- bis sechstausend Juden in Berlin.“ Alle anderen hatten die Nazis deportiert und umgebracht. „Also wurden die Ruinen abgetragen, wie man es auch mit mehreren anderen Ruinen großer Synagogen in Berlin machte“, sagt Marcus.
Außerdem war sich damals niemand sicher, „ob die Jüdische Gemeinde in der Stadt überleben würde. Und es gab ja Synagogen, die intakt waren“. Zum Beispiel die in der Pestalozzistraße, das Logenhaus in der Joachimsthaler Straße und eben die kleine Synagoge im erhalten gebliebenen Seitenflügel am Fraenkelufer.
Dort wird auch heute noch Gottesdienst gefeiert. Und in einem unspektakulären und recht kleinen Veranstaltungsraum neben dem Synagogenraum hängen die Fotografien von Robert Capa. Ein anderes seiner Bilder zeigt vier ins Gebet vertiefte amerikanische Soldaten und Offiziere, darunter Harry Nowalsky, eine wichtige Figur in der Geschichte der Synagogenwiedereröffnung. „1945 wurde die Gegend um die Synagoge dem amerikanischen Sektor zugeteilt“, erzählt Mario Marcus. Harry Nowalsky hatte sich gegenüber der Synagoge einquartiert, sie ständig vor Augen und durch Gespräche bewirkt, dass sie schon im September 1945 wieder als Synagoge funktionieren konnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen