: Das Bauhaus gibt es nicht
Neue Bücher zum Bauhaus räumen mit einigen Mythen auf, beschreiben Walter Gropius als modernen Impressario und Marianne Brandt als Wegbereiterin des Produktdesigns

Von Brigitte Werneburg
Nicht erst 2019, im 100. Jahr seiner Gründung, ist alles, was das Label Bauhaus trägt, begehrenswert. Schon 2007 wechselte auf einer Auktion das Teekännchen MT49 von Marianne Brandt für schlappe 361.000 US-Dollar den Eigentümer. So steht es in „Das ist das Bauhaus! 50 Fragen 50 Antworten“, dem Band, den Gesine Bahr und die Illustratorin Halina Kirschner im Verlag E. A. Seemann (Leipzig 2019. 192 Seiten, komplett illustriert, 19,95 Euro) anlässlich des Jubiläums herausgegeben haben. Ein tolles Buch. Wer sich ohne große Umstände grundsätzlich informieren oder sein Wissen aktualisieren will: Gesine Bahr liefert Zahlen und Fakten, porträtiert Protagonisten und Orte, diskutiert strittige Fragen, analysiert Rezeption und Wirkung und räumt auch mit einigen Bauhaus-Mythen auf.
Mit Mythen aufräumen möchte auch Bernd Polster mit seiner amüsant zu lesenden Biografie „Walter Gropius. Der Architekt seines Ruhms“ (Carl Hanser Verlag, München 2019. 656 Seiten, 32 Euro). Männer kennen Männer nur als Helden. Die hebt man auf den Sockel. Oder versucht sie, wie jetzt Polster, vom Sockel zu stürzen. Ein antiquiertes Modell. Zum Nachteil von Polster verfängt es bei Gropius nicht.
Gropius ist kein Held, er ist eine Marke. Er mag also nicht zeichnen können und Leistungen seiner Mitarbeiter als seine ausgeben: So funktionieren heute alle bedeutenden Architektur- und Designbüros oder großen Modehäuser. Gropius ist ein moderner Impressario. Intendant des Bauhauses, der es dank geschicktem Management und Marketing (auch in eigener Sache) zu einem Brand von Weltgeltung macht.
Dem modernen Markenbild entsprechend hatte er im Bauhaus-Manifest von 1919 erklärt, es sei an der neuen Schule jede Person, „ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht“, willkommen. Das war selbstredend nicht ernst gemeint. Dafür, dass der Frauenanteil unter den Studierenden gering blieb, sorgten schon die 180 Mark Studiengebühren für Studentinnen, wo die Studenten nur 150 Mark zahlten. Zudem wurden sie in die Weberei abgeschoben.
Eine setzte sich, dank auch der Unterstützung von Laszlo Moholy-Nagy, in der Metallwerkstatt durch. Ihre Geschichte erzählt Anne-Kathrin Weise in „Marianne Brandt. Wegbereiterin des Produktdesigns“ (Weimarer Verlagsgesellschaft, Weimar 2018. 128 Seiten, mit bebildertem Stadtrundgang, 16,90 Euro). Tragisch: Kaum hatte sie sich einen Namen gemacht, war ihre noch junge Karriere schon durch die Machtergreifung der Nazis beendet. Sie zog sich nach Chemnitz in ihr Elternhaus zurück.
Auch in der Nachkriegszeit hatte Marianne Brandt nur in wenigen glücklichen Momenten Gelegenheit, ihr Können in Lehre und Praxis zu zeigen. Zu schnell wurden in der DDR das Bauhaus und das spätere Werk seiner Protagonisten, etwa das von Mart Stam, der als Rektor der Kunsthochschule Weißensee Marianne Brandt an die Schule geholt hatte, als formalistisch verfemt.
Es war, als ob stimmte: „Das bauhaus gibt es nicht“ (Alexander Verlag, Berlin 2019. 152 Seiten, zahlreiche Farb- und S/W-Abbildungen, 22 Euro). So nennt Wulf Herzogenrath seinen Band, in dem er die Vorstellung eines in sich geschlossenen Bauhausprogramms zurückweist. Der Direktor der Sektion Bildende Kunst an der Akademie der Künste in Berlin nutzt die Gunst der Stunde, um Katalogtexte, Zeitungsartikel und Buchbeiträge aus den 1970er, 1980er und 2000er Jahren noch einmal zu veröffentlichen. Doch ihre Bündelung bekommt den Texten nicht. An sich noch immer lesenswert, weisen sie nun zu viele Redundanzen auf, was die Lektüre zäh gestaltet. Neu sind die bislang unveröffentlichten Fotos aus dem Nachlass der Bauhaus-Studierenden Ruth Hollós und Erich Consemüller, in denen der Charme der Unternehmung Bauhaus ungebrochen überkommt.
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