Umweltexpertin über Atommüll-Endlager: „Mehr Mut für direkte Diskurse“

Wird die Öffentlichkeit bei der Endlagersuche genügend einbezogen? Bei der Beteiligung wäre viel mehr möglich, sagt Monika Müller vom Nationalen Begleitmedium.

Menschen stehen in einem Bergwerk

Wo soll der Atommüll dauerhaft gelagert werden? Blick ins Erkundungsbergwerk Gorleben Foto: dpa

taz: Frau Müller, das Nationale Begleitgremium soll darauf achten, dass bei der Suche eines Endlagers für Atommüll die Öffentlichkeit beteiligt wird. Kann es diesen Auftrag erfüllen?

Monika Müller: Das NBG ist nicht für die Umsetzung, sondern für die Begleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung zuständig. Wir arbeiten intensiv daran und drängen alle Protagonisten immer wieder, die Öffentlichkeit von Anfang an zu beteiligen. Aus Sicht des NBG wird diese Haltung noch nicht von allen Akteuren verinnerlicht. Viele der angebotenen Formate dienen der Information, erfüllen jedoch keine Beteiligungskriterien.

Ein Webfehler des Verfahrens?

Es wäre vertrauensbildender gewesen, wenn die Öffentlichkeit schon bei der Erstellung eines Entwurfes zur Öffentlichkeitsbeteiligung aktiv einbezogen worden wäre. Wählt man, wie geschehen, einen anderen Weg und legt ein „lebendes Papier“, also einen auf Veränderungen und Verbesserungen angelegten Entwurf als Diskussionsgrundlage vor, muss auch der Raum für intensive Diskurse und Änderungsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine online-Beteiligung und ein zweistündiger Workshop an einem Wochentag während der Statuskonferenz sind dafür nicht ausreichend.

Gab es nicht eine öffentliche Veranstaltung?

Monika Müller ist Studienleiterin für Naturwissenschaften, Ökologie und Umweltpolitik der Evangelischen Akademie Loccum. Als von Bundestag und Bundesrat gewähltes Mitglied gehört sie dem Nationale Begleitgremium seit 2016 an.

Anfang 2018 gab es einen vom NBG organisierten Bürger*innen-Dialog, bei dem das Positionspapier des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit, auf dem das Konzept zur Öffentlichkeitsbeteiligung nun aufbaut, intensiv diskutiert wurde. Jetzt wäre eine Veranstaltung für die breite Öffentlichkeit zur Erörterung des Konsultationsprozesses sowie des Ergebnisses wünschenswert. Ich persönlich glaube, dass mehr Mut, Zeit und Raum für öffentliche und direkte Diskurse erforderlich sind.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren im Suchverfahren denn sonst?

Mitarbeitende des BfE und der Bundesgesellschaft für Endlagerung sind in jeder Sitzung des NBG zugegen, berichten über die aktuellen Arbeitsschritte und stehen dem NBG Rede und Antwort.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) – Gesellschafter ist das Bundesumweltministerium – sucht den Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle. Sie betreibt außerdem die Endlager-Projekte Asse, Konrad und Morsleben sowie das Bergwerk Gorleben.

Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) ist die Regulierungs-, Aufsichts- und Genehmigungsbehörde bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle und bei der Genehmigung von Transporten sowie Zwischenlagern für hochradioaktive Stoffe. Im Standortauswahlverfahren ist das BfE für die Bürgerbeteiligung verantwortlich.

Das unbhängige und pluralistisch zusammengesetzte Nationale Begleitgremium (NBG) soll das Suchverfahren bis zur Standortentscheidung vermittelnd begleiten. Dazu gehört insbesondere die Begleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung mit dem Ziel, Vertrauen in die Verfahren zu ermöglichen. (rp)

Was sind aus NBG-Sicht die dringlichsten Schritte im Suchverfahren?

Das NBG hat schon früh und schriftlich darauf hingewiesen, dass die Verabschiedung eines Geowissenschaftsdatengesetzes, jetzt Geologiedatengesetz, dringend erforderlich ist. Ohne ein solches Gesetz ist ein von Anfang an transparentes Standortauswahlverfahren nicht möglich. Daten müssen öffentlich zugänglich sein, damit BürgerInnen sich überhaupt darüber austauschen, Argumente entwickeln und sich aktiv in die Entscheidungsfindungen einbringen können. Wichtig ist und bleibt die frühe Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren. BürgerInnen sind von Anfang an bei der konkreten Ausgestaltung der formalen Beteiligungsformate einzubeziehen.

Das NBG hat zurzeit elf Mitglieder. Es sollte schon längst auf 18 Mitglieder aufgestockt werden.

Wir brauchen schnell Klarheit darüber, wann die Erweiterung um die sechs von Bundesrat und Bundestag zu wählenden Personen erfolgt. Andererseits ist es für die Arbeit des NBG essentiell, dass auch durch die Erweiterung Unabhängigkeit und Neutralität erhalten bleiben. Aktuell liegt die Entscheidungsfindung beim Bundestag. Neben der unvollendeten Erstbesetzung des NBG sind zwei weitere Herausforderungen zu lösen: Die erste Amtszeit der ersten Mitglieder des NBG endet im November. Ungeklärt ist die Frage, wer bleibt, wie eine mögliche Wiederwahl, wie die Nachbesetzung erfolgt. Und zweitens: Wie werden nach Austritten freie Positionen – die der anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und die vom Bundesministerium für Umwelt ernannten Bürgervertreter/innen – nachbesetzt?

Korrektur: In einer früheren Version dieses Beitrags waren die dritte Frage und ihre Antwort redaktionell fehlerhaft.

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