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Berliner Balkan-Konferenz über Kosovos Zukunft

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron empfangen am kommenden Montag in Berlin die Staats- und Regierungschefs von sechs Balkanländern. Im Zentrum der Diskussion wird das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo stehen. Bisher erkennt Serbien seine ehemalige Provinz Kosovo als eigenständigen Staat nicht an. Beide Länder streben aber eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union an. Serbien ist bereits EU-Beitrittskandidat, das Kosovo führt die EU als „potenziellen Kandidaten“. Merkel hat schon im Jahr 2011 deutlich gemacht, dass beide Länder vor einem Beitritt ihre Streitigkeiten beilegen müssten.

Seit dem Herbst 2018 verhandeln die Präsidenten Serbiens und Kosovos, Aleksandar Vu­čić und Hashim Thaçi, über einen Gebietsaustausch zwischen den beiden Ländern. Seit einem halben Jahr verdichten sich Informa­tio­nen, dass Russland und die USA eine solche Grenzverschiebung befürworten. Dabei sollen die Serbengebiete in Norden Kosovos zu Serbien kommen und die mehrheitlich von Albanern bewohnten Gebiete in Süd-Serbien dem Kosovo zugeschlagen werden.

Die Befürworter einer solchen Grenzverschiebung erhoffen sich davon eine Lösung des Konflikts zwischen den beiden Staaten und die gegenseitige diplomatische Anerkennung. Die Gegner argumentieren, dass jede Grenzänderung auf ethnischer Basis eine Büchse der Pandora auf dem Balkan öffnen könnte. So ist denkbar, dass danach der Vielvölkerstaat Mazedonien mit einem Drittel albanischer Bevölkerung in Bedrängnis kommt. Ethnische Teilungen würden zudem die Minderheiten in allen Staaten gefährden und etwa serbische Ambitionen beflügeln, den serbischen Teilstaat in Bosnien, die Republika Srpska, Serbien anzugliedern.

Kosovos Regierungschef Ramush Haradinaj hatte im Januar erklärt, er halte ein Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zu Serbien in diesem Jahr für möglich. Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer sagte dazu, die Bundesregierung sehe Grenzveränderungen grundsätzlich „skeptisch“, wenn diese eine Gefahr für die Stabilität bedeuten könnten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt als strikte Gegnerin einer Grenzveränderung. Offen ist die Position Macrons. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die ebenfalls an dem informellen Treffen mit einem Abendessen teilnehmen wird, hat dagegen deutlich gemacht, dass sie neue Grenzen entlang ethnischer Linien befürwortet. Dafür erntete sie von CDU- und Grünen-Parlamentariern heftigen Gegenwind. Der grüne Osteuropa-Experte Manuel Sarrazin sagte Mitte April: „Die Grenzen auf dem Westbalkan sind unantastbar.“ Ein Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo sei tabu und müsse es auch bleiben.

Der CDU-Fraktionsvize Johann Wadephul sagte dem Tagesspiegel, ein Gebietstausch würde „auf dem westlichen Balkan einen Flächenbrand mit neuen Instabilitäten, auch ethnischen Konflikten und möglicherweise sogar mit kriegerischen Auseinandersetzungen auslösen“. Erich Rathfelder

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