piwik no script img

Hafencity mit menschlichem Antlitz

Hamburg Leuchtfeuer plant ein einzigartiges Wohnprojekt für junge Menschen mit chronischen Erkrankungen. Es ist das vierte Projekt des gemeinnützigen Unternehmens

So soll es mal aussehen: Architektur-Animation des Projekts „Festland“ in der Hamburger Hafencity Foto: Hamburg Leuchtfeuer

Von Katharina Gebauer

Schon seit vielen Jahren betreibt Hamburg Leuchtfeuer ein Hospiz in Hamburg. Nun kommt ein neues Angebot für junge Menschen mit chronischen Erkrankungen hinzu: Das Wohnprojekt „Festland“. Das besondere: Es entsteht in bester Lage, im Baakenhafen in der Hafencity. Ende März feierte der gemeinnützige Träger die Grundsteinlegung, 2020 soll die Eröffnung sein. Bislang fehlen noch 600.000 Euro für die Gesamtfinanzierung.

Schon 2013 stand die Planung des Wohnprojekts fest und Hamburg Leuchtfeuer begann, Spenden zu akquirieren. Bauträger ist eine Bauherrengemeinschaft aus der Hamburg Leuchtfeuer Festland GmbH und den Wohnungsbaugenossenschaften Hamburger Wohnen und Allgemeine Deutsche Schiffszimmerer-Genossenschaft.

Hamburg Leuchtfeuer, das sich selbst als „Unternehmen Menschlichkeit“ bezeichnet, verfolgt mit seinen Dienstleistungen die Zielsetzung, den Umgang mit Krankheit, Sterben, Tod und Trauer menschenwürdig zu gestalten und dies den Menschen zu vermitteln, die Hilfe und Unterstützung brauchen.

Die bisherigen drei Leuchtfeuer-Angebote „Aufwind“, „Hospiz“ und „Lotsenhaus“ haben unterschiedliche Ziele: Aufwind unterstützt seit über 20 Jahren mit derzeit acht SozialpädagogInnen Menschen mit HIV. Das Hospiz auf St. Pauli begleitet schwer erkrankte Menschen beim würdevollen Abschiednehmen. Und das deutschlandweit einzigartige Lotsenhaus bietet im Stadtteil Altona seit 2007 Bestattungen, Trauerbegleitung sowie Weiterbildungen zum Themenfeld an.

Nun kommt ein viertes Betätigungsfeld dazu: Das geplante „Festland“ ist ein Wohnprojekt für junge, chronisch kranke Menschen ab 18 Jahren. Die chronischen Erkrankungen umfassen HIV, Multiple Sklerose, die Folgen eines Schlaganfalls sowie Muskel- und Nervenerkrankungen.

Das Angebot ist entstanden, weil Leuchtfeuer-Mitarbeiter­Innen immer wieder erleben, dass junge erkrankte Menschen bezahlbare, rollstuhlgerechte Wohnungen suchen. Sie brauchen eine sichere Versorgung, viele wünschen sich ein Leben in einer Gemeinschaft. Deswegen hat Leuchtfeuer explizit keine stationäre Einrichtung geplant. Das Wohnprojekt richtet sich an Menschen bis 55 Jahre, da ab diesem Alter gesetzlich ein Einzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung vorgesehen ist.

Im Unterschied dazu soll die ambulante Versorgung den Erkrankten eine bessere Lebens­perspektive bieten. Zudem werden bei Bedarf mit professioneller Unterstützung ambulanter Pflegedienste Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie angeboten.

Hamburger Leuchtfeuer

Gegründet wurde Hamburg Leuchtfeuer 1994 mit dem Ziel, ein Netzwerk für HIV-positiv getestete und an Aids erkrankte Menschen zu schaffen. Mittlerweile richten sich die Angebote an alle Menschen, unabhängig von ihrem Krankheitsbild.

Das Hospiz auf St. Pauli gibt es seit 1998. In den elf Einzelzimmern können die BewohnerInnen die letzte Phase ihres Lebens selbstbestimmt, in Würde und nach ihren Vorstellungen gestalten.

Das Wohnprojekt „Festland“ zeichnete der Hamburger Senat 2017 mit dem Preis „Wegbereiter der Inklusion“ aus. Zudem ist „Festland“ für den deutschen Engagement-Preis nominiert.

4,6 Millionen Euro hat Hamburg Leuchtfeuer bisher an Spenden, Zuschüssen und Fördergeld für „Festland“ eingenommen. 4,7 Millionen werden durch Darlehen finanziert, insgesamt soll das Projekt von 9,9 Millionen Euro kosten.

Bei seiner „Teddybären-Aktion“ 2018 verteilte Hamburg Leuchtfeuer Kuscheltiere in der Stadt, um auf die Angebote für Aids- und HIV-Erkrankte aufmerksam zu machen.

Das Besondere an dem Konzept ist das Zusammenspiel zwischen Gemeinschaft und Privatsphäre: Durch die gemeinsam genutzten Räume kann eine lebendige Hausgemeinschaft entstehen, die eigene Wohnung ermöglicht Privatsphäre und Rückzug.

Geplant sind 27 rollstuhlgerechte Einzel- und Familienwohnungen – 21 davon im geförderten Mietwohnungsbau für Menschen ohne finanzielle Ressourcen. Die restlichen sechs Wohnungen sind frei finanziert. Sie sind für Menschen ohne chronische Erkrankung vorgesehen, um so die Inklusion zu fördern. „Momentan überschreitet die Anzahl der Interessenten bereits die Wohnungskapazitäten“, sagt Ulf Bodenhagen, Geschäftsführer von Hamburg Leuchtfeuer.

Bodenhagen hofft auf eine Fertigstellung nach Plan und ist zuversichtlich, was die Finanzierungslücke von 600.000 Euro betrifft. Ohne die Summe müsste Leuchtfeuer ein weiteres Darlehen aufnehmen, die Fertigstellung von „Festland“ sei aber in jedem Fall gesichert.

Bis zur Eröffnung im Herbst 2020 informiert Hamburg Leuchtfeuer umfangreich auf seiner Website, um Betroffenen, UnterstützerInnen und allen anderen HamburgerInnen zu zeigen, wie es mit der Umsetzung weitergeht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen